RechtsprechungVergaberecht

Berufliche Verfehlung erfordert erheblichen Rechtsverstoß! (BayObLG, 13.06.2022, Verg 6/22)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab in einem EU-weiten offenen Verfahren Versorgungsleistungen für Asylsuchende. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot sollte den Zuschlag erhalten. Daraufhin rügte die eine unterlegene Bieterin, dass der erstplatzierte Bieter mit seinem Verpflegungskonzept gegen verschiedene Vorgaben verstoße und daher eine berufliche Verfehlung i.S.d. § 124 Abs.1 Nr. 3 GWB vorliege. Nach erfolgloser Rüge stellte die Bieterin einen Nachprüfungsantrag.  Die Vergabekammer wies den Antrag mit der Begründung zurück, dass weder die Vergabeunterlagen widersprüchlich seien noch andere Verstöße vorliegen. Gegen diese Entscheidung legte die Bieterin sofortige Beschwerde ein – jedoch ohne Erfolg!

Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied, dass kein Ausschlussgrund gemäß § 124 Abs.1 Nr. 3 GWB besteht. Eine schwere Verfehlung liegt nur bei erheblichen Rechtsverstößen vor, die dazu geeignet sind, die Zuverlässigkeit eines Bieters grundlegend in Frage zu stellen. Hierfür müssen die Verstöße nachweislich und schuldhaft begangen worden sein und drastische Auswirkungen haben. Nicht in jeder ordnungswidrigen, ungenauen oder mangelhaften Erfüllung eines Vertrages liegt auch eine schwere Verfehlung. Vielmehr meint eine „Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit“ ein fehlerhaftes Verhalten, das Einfluss auf die berufliche Vertrauenswürdigkeit des betroffenen Unternehmens hat und nicht nur Verstöße gegen berufsethische Regelungen. Bei einer diesbezüglichen Prüfung handelt es sich um eine Bewertung mit prognostischem Charakter, bei der dem Auftraggeber ein eigener Beurteilungsspielraum zusteht.

Hier wurde dem Bieter ein Verstoß gegen die DGE-Qualitätsstandards vorgeworfen, da dieser u.a. die maximale Warmhaltezeit der Verpflegung nicht einhielt und damit mögliche gesundheitliche Gefahren verursachte. Aus den Vergabeunterlagen ergab sich bezüglich der Warmhaltezeit jedoch keine zwingende Verpflichtung. Vielmehr handelte es sich hierbei nur um eine Sollregelung. Zudem behauptete der Bieter, dass die Lebensmittel vor dem Transport heruntergekühlt und bei dem Ankunftsort wieder regeneriert wurden, so dass keine gesundheitlichen Gefahren hätten entstehen können. Eine schwere Verfehlung lag deshalb nicht vor, so der Vergabesenat.