RechtsprechungVergaberecht

Preisaufklärung auch unterhalb der Aufgreifschwelle zulässig (VK Berlin, 25.03.2022, VK B 2-53/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber beabsichtigte die Errichtung eines neuen Nachwuchsleistungszentrums. Mehrere Bieter gaben ein Angebot ab. Der Auftraggeber forderte den Bieter mit dem niedrigsten Angebotspreis zur Preisaufklärung auf. Trotz der Gespräche zur Aufklärung blieben bei dem Auftraggeber Unklarheiten im Hinblick auf den niedrigen Angebotspreis bestehen. Daher schloss er das Angebot aus. Nach erfolgloser Rüge reichte der Bieter einen Nachprüfungsantrag mit der Begründung ein, dass die Preisprüfung bereits unzulässig sei, da der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot lediglich 10,53 % betrug und damit deutlich unterhalb der anerkannten Aufgreifschwelle von 20 % lag.

Die Vergabekammer entschied, dass das Angebot nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A auszuschließen war, da ein Zuschlag nicht auf ein Angebot mit unangemessen niedrigem Preis erteilt werden darf.  Demnach haben Auftraggeber nach § 16d EU Abs.1 Nr. 2 S. 1 VOB/A vor Ablehnung eines Angebots vom Bieter Preisaufklärung zu verlangen, wenn der Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint. Ob der Bieter hier zur einer Preisprüfung verpflichtet war, konnte offenbleiben. Denn jedenfalls war er dazu berechtigt. Der Preisabstand von 10 % zum nächsthöheren Angebot ist nach Ansicht der Vergabekammer ein hinreichender Anlass, um von einem unangemessen niedrigen Angebotspreis auszugehen. Zwar wird in der Rechtsprechung eine sog. Aufgreifschwelle von 20 % angenommen, jedoch bezieht sich diese Schwelle nur darauf, ab welchem Preisabstand ein Auftraggeber verpflichtet ist eine Preisaufklärung vorzunehmen. Somit durfte der Auftraggeber aufgrund der Abweichung von über 10 % den Bieter zur Preisaufklärung auffordern und das Angebot ausschließen, so die Vergabekammer.