RechtsprechungVergaberecht

Rüge nach Angebotsabgabe präkludiert (OLG Naumburg, 01.03.2021, 7 Verg 1/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab EU-weit die Beschaffung von mobilen Fahrkartenautomaten im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb. Die Preiswertung erfolgte anhand einer stufenwiese Punktevergabe. Der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot erhielt den Zuschlag. Daraufhin rügte eine Mitbieterin u.a. die Untauglichkeit der verwendeten Bewertungsmatrix im Rahmen der Angebotsprüfung, da diese zu zufälligen und willkürlichen Ergebnissen führte. Die Vergabekammer entschied, dass die Rüge bereits präkludiert sei. Die Bieterin erhob sodann sofortige Beschwerde – ohne Erfolg.

Das OLG Naumburg folgte der Vergabekammer. Die Rüge des vermeintlich vergaberechtswidrigen Bewertungssystems sei bereits nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Demnach haben Bieter Vergaberechtsverstöße, die sich aus den Vergabeunterlagen ergeben, spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe zu rügen. Dies gilt auch dann, wenn in einem Verhandlungsverfahren eine Ausschlussfrist für die Einreichung eines Erstangebotes gesetzt wurde. Hier rügte die Bieterin den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß erst nach Einreichen ihres Angebotes und der Kenntnis der bevorstehenden Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter – zu spät, wie der Vergabesenat klarstellt.

Weiterhin erklärte der Senat, dass für die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes nicht auf den jeweiligen Bieter, sondern auf ein durchschnittlich fachkundiges Unternehmen des Bieterkreises unter Anwendung der im Verfahren erforderlichen Sorgfalt abgestellt wird. Erkennen Bieter Widersprüchlichkeiten in den Vergabeunterlagen, so haben sie laienhaft zu beurteilen, ob ein Vergaberechtsverstoß vorliegen könnte. Für die Begründung einer Rügeobliegenheit reicht daher bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Vergaberechtswidrigkeit einer Maßnahme aus.