Haben öffentliche Auftraggeber Mindestanforderungen an die Leistung festgelegt, dürfen sie nicht mehr zugunsten eines Bieters davon abweichen. Das ist Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und gilt auch für Verhandlungsverfahren, in denen öffentliche Auftraggeber über einen Spielraum verfügen, so die Vergabekammer Sachsen.
Ein oder zwei Videokanäle?
Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt schrieb in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb einen Rahmenvertrag zur Lieferung von Echtzeit-Grafiksystemen aus. Die Leistungsbeschreibung sah als Mindestanforderung zwei Videokanäle nach näherer Spezifikation vor. Der öffentliche Auftraggeber schloss das indikative Angebot des Antragstellers wegen einer Abweichung von den Vergabeunterlagen vom Vergabeverfahren aus, denn das in einer Teststellung angebotene System genügte den Mindestanforderungen mit nur einem Videokanal nicht. Der Antragsteller rügte den Ausschluss als unverhältnismäßig. Die Parteien hätten zunächst über die Mindestanforderung verhandeln müssen, da die Definition eines „Kanals“ unklar gewesen sei.
Verzicht auf Mindestanforderung zugunsten des Antragstellers unzulässig
Die Vergabekammer billigte den Angebotsausschuss. Zwar ist ein Verhandlungsverfahren ein dynamischer Prozess, in dessen Verlauf sich durch Verhandlungen Veränderungen ergeben können. § 17 Abs. 10 S. 2 VgV verbietet aber Verhandlungen über die in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen (OLG München, 21.04.2017, Verg 1/17). Würde die Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers von der Mindestanforderung zweier Videokanäle abweichen, würde sie die Bieter ungleich behandeln. Das aber verbietet das Gleichbehandlungsgebot.
Mindestanforderungen nicht unveränderlich
Etwas anderes gilt, wenn ein öffentlicher Auftraggeber auf die festgelegten Mindestanforderungen zugunsten aller Bieter in transparenter und nichtdiskriminierender Weise verzichtet: Das Gleichheitsgebot wird gewahrt, befand der Düsseldorfer Vergabesenat (27.05.2013, VII-Verg 9/13).