RechtsprechungVergaberecht

Fahrlässige Falschangaben genügen für Angebotsausschluss (BayObLG, 29.07.2022, Verg 16/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab im Wege einer Verhandlungsvergabe mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einen Dienstleistungsauftrag für eine neue U-Bahnlinie. Ein Bieter wurde wegen fahrlässiger Übermittlung irreführender Informationen von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen. Nach erfolgloser Rüge des Ausschlusses stellte der Bieter einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer entschied, dass der Bieter nicht ausgeschlossen werden durfte und das Verfahren in den Stand vor Abgabe der Teilnahmeanträge zurückversetzt werden müsse. Der Auftraggeber legte gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde ein – ohne Erfolg!

Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied, dass der Ausschluss wegen fahrlässiger Irreführung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 9c GWB vergaberechtswidrig war. Zwar dürfen Auftraggeber einen Bieter grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt aus dem Verfahren ausschließen, wenn er fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des Auftraggebers erheblich beeinflussen können. Jedoch ist eine Information nur dann irreführend, wenn sie objektiv dazu geeignet ist, beim Adressaten der Erklärung einen Irrtum über den Inhalt hervorzurufen. Hierzu gehören z.B. Erklärungen, die bereits für sich genommen nicht der Wahrheit entsprechen. Allerdings darf nicht jede Widersprüchlichkeit oder Unklarheit eines Angebots als Irreführung aufgefasst werden. Denn Bieterangaben zu missverständlichen, mehrdeutigen oder unklaren Vorgaben des Auftraggebers sind nicht ohne weiteres irreführend oder objektiv fasch.  Daher ist stets zu berücksichtigen, wie hinreichend klar und eindeutig die Vorgaben in den Vergabeunterlagen, auf die sich die Erklärung des Bieters bezieht, sind. Hier waren die Vergabeunterlagen bezüglich der anzugebenden Referenzen unklar formuliert, so dass die Angaben des Bieters vertretbar und gerade nicht irreführend waren.