RechtsprechungVergaberecht

Preisaufklärung führt nicht zur Änderung der Vergabeunterlagen (VK Westfalen, 09.02.2022, VK 2-59/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab europaweit einen umfangreichen Bauauftrag. Das einzige Zuschlagskriterium war der Preis. Die Angebote der Bieter wiesen große Unterschiede bei einem Einheitspreis auf. Daher forderte der Auftraggeber die Bieterin mit dem niedrigsten Einheitspreis zur Offenlegung der Kalkulation. Die Bieterin kam dem nach. Daraufhin stellte der Auftraggeber fest, dass die Bieterin bei der Kalkulation nicht nur anders kalkulierte, sondern etwas ganz Anderes kalkulierte als gefordert. Das Angebot entspreche demnach nicht den Kalkulationsvorgaben. Der Auftraggeber schloss die Bieterin aufgrund der Änderung von Vergabeunterlagen nach § 16 EU Nr. 2 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A aus. Die Bieterin stellte einen Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer Westfalen entschied, dass der Ausschluss der Bieterin vergaberechtswidrig sei, weil bereits ein Ausschlussgrund fehle. Demnach sind nur solche Angebote auszuschließen, die von den Vergabeunterlagen abweichen, insbesondere, wenn eine andere als die ausgeschriebene Leistung angeboten wird. Ausreichend ist bereits eine formale Abweichung, auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit der Abweichung kommt es nicht an. Der Auftraggeber darf hierfür grundsätzlich Kalkulationsvorgaben aufstellen. Zwar schränkt dies die Kalkulationsfreiheit der Bieter ein und kanalisiert in gewissem Umfang den Preiswettbewerb, jedoch beruhen die Vorgaben auf der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers. So werden Spekulationsmöglichkeiten der Bieter begrenzt und die Chancengleichheit gefördert. Wichtig ist jedoch, dass die Kalkulationsvorgaben eindeutig und bestimmt sind.

Bei der Frage, ob ein Angebot den Anforderungen entspricht, ist nicht das Angebot auszulegen (§§ 133, 157 BGB) und zu ermitteln, wie die Vergabeunterlagen zu verstehen sind. Entscheidend ist hierbei das Verständnis eines fachkundigen mit der Ausführung solcher Leistungen vertrauten Bieters. Hier hat der Auftraggeber jedoch ohnehin keine Kalkulationsvorgabe aufgestellt, so die Vergabekammer. Den verwendeten Passus konnten fachkundige Bieter nämlich nicht als Kalkulationsvorgabe werten. Vielmehr handle es sich hierbei um eine Präzisierung des Leistungsinhalts. Demnach konnte die Bieterin auch keine Änderung der Vergabeunterlagen vornehmen, der Ausschluss war vergaberechtswidrig.