Rechtsprechung

Keine hohen Anforderungen an eine Rüge! (OLG Schleswig, 04.02.2022, 54 Verg 9/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab einen Auftrag über ein System zur digitalen Dokumentation im offenen Verfahren. Zuschlagskriterien waren Qualität und Preis. Hierzu sollten die Bieter drei Konzepte einreichen. Ein Unternehmen rügte u.a. die Vergaberechtswidrigkeit der Anforderungen an zwei der Konzepte und die Intransparenz der vorgesehenen Teststellung. Der Auftraggeber wies die Rügen zurück, ohne näher auf die Beanstandungen einzugehen. Das Unternehmen reichte dennoch ein Angebot ein, jedoch ohne die geforderten Geräte für die Teststellung. Wenige Tage später stellte dieser Bieter einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer ordnete die Rückversetzung des Verfahrens (nur) in den Stand vor der Aufforderung zur Übersendung des Geräts für die Teststellung an. Demnach habe der Bieter vor der Einleitung des Nachprüfungsverfahren lediglich eine Bieterfrage gestellt, aber keine Rüge erhoben. Daraufhin legte der Bieter sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung ein.

Das OLG Schleswig widersprach dem und stellte fest, dass der Bieter den Vergaberechtsverstoß ordnungsgemäß rügte. An die Rüge eines Bieters seien keine hohen Anforderungen zu stellen. Demnach ist eine Rüge formlos möglich und kann zudem als Frage formuliert sein. Der Bieter muss lediglich verdeutlichen, dass er in einem bestimmten Sachverhalt einen Vergaberechtsverstoß sieht und Abhilfe erwartet. Die Auslegung der Erklärung des Bieters erfolgt nach dem objektiven Empfängerhorizont. Danach kann auch eine bloße Bieterfrage als Rüge gewertet werden, sofern sich aus ihr ergibt, was als vergaberechtswidrig beanstandet wird. Hier formulierte der Bieter deutlich die Unklarheiten. Insbesondere bezogen sich die Fragen nur auf die Leistungserbringung. Das Abhilfeverlangen des Bieters lag bei verständiger Würdigung der Rüge ebenfalls vor. Zudem unterbreitete der Bieter sogar einen Vorschlag zur Abhilfe des Problems. Eine formgültige Rüge lag damit vor, so das Gericht.

Im Hinblick auf die geforderten Konzepte stellte das OLG zudem fest, dass bei einem Konzept, in dem Bieter nur allgemein die Vorteile des Beschaffungsgegenstandes beschreiben sollen, der notwendige Auftragsbezug fehle. Durch diese Konzeptart könne nicht das qualitativ beste Angebot ermittelt werden.

Beschreiben Bieter in einem Konzept lediglich geplante Neurungen und Innovationen, so fehlt auch hier tendenziell der Auftragsbezug. Denn anstatt um die nachgefragte Leistung geht es vielmehr um eine möglicherweise in Zukunft anzubietende Leistung, für die ein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden müsste.