RechtsprechungVergaberecht

Kein neues Vergabeverfahren bei Auftragnehmerwechsel wegen Insolvenz (EuGH, 03.02.2022, Rs. C-461/20)

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass ein früherer Auftragnehmer ausnahmsweise ganz oder teilweise im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung – etwa wegen Insolvenz – ersetzt werden kann, ohne dass ein neues Vergabeverfahrens.

Ein schwedischer öffentlicher Auftraggeber vergab den Erwerb von Hardware in einem nicht offenen Verfahren. Ein Bieter erhielt Rahmenvereinbarungen für vier Bereiche. Kurz darauf wurde der Auftragnehmer jedoch für insolvent erklärt. Daraufhin vereinbarte der Auftraggeber mit einem anderen Unternehmen die Übertragung der vier Rahmenvereinbarungen, sodass der ursprüngliche Auftragnehmer durch einen neuen Auftragnehmer ersetzt wird. Ein anderes Unternehmen klagte gegen die Übertragung der Rahmenvereinbarungen. Letztlich wandte sich der Oberste Verwaltungsgerichtshof an den EuGH mit einer Vorlagefrage bezüglich der Auslegung des Art. 72 Abs. 1 d Ziff. ii der Richtlinie 2014/24/EU.

Der EuGH stellte vorab fest, dass das Ersetzen eines ursprünglichen Auftragnehmers durch einen neuen Auftragnehmer grundsätzlich eine wesentliche Vertragsänderung darstellt. Die Änderung muss nach den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung zu einem neuen Vergabeverfahren über den geänderten Vertrag führen. Hier lag jedoch eine Ausnahme von dem Grundsatz vor.  Denn ein neuer Auftragnehmer kann im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung – einschließlich Übernahme, Fusion, Erwerb oder Insolvenz – ganz oder teilweise an die Stelle des ursprünglichen Auftragnehmers treten. Ein erneutes Vergabeverfahren ist somit nicht erforderlich. Daher durften die Rahmenverträge im Zuge der Unternehmensumstrukturierung an den neuen Auftragnehmer übertragen werden.