RechtsprechungVergaberecht

Keine Preisaufklärung ohne Aufklärungsbedarf! (VK Nordbayern, 11.08.2021, RMF – SG21-3194-6-25)

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb in einem EU-weiten Vergabeverfahren einen Bauauftrag aus. Der Auftraggeber forderte den Bieter mit dem preisgünstigsten Angebot zur Preisaufklärung auf, da Positionen in dem eingereichten Formblatt 223 (VHB Bund) nicht einkalkuliert seien. Der Bieter erklärte, dass die Leistungen bereits in andere Positionen einkalkuliert wurden. Daraufhin schloss der Auftraggeber den Bieter aus. Denn die Aufklärung ergab, dass bei der benannten Position eine unstatthafte Mischkalkulation vorlag. Das Verhältnis zwischen Preis und Leistung sei daher unangemessen. Der Bieter rügte den Ausschluss als unzulässig – mit Erfolg!

Die Vergabekammer Nordbayern entschied, dass das Angebot des Bieters zu Unrecht ausgeschlossen wurde. Denn Eintragungen im Formblatt 223 sind keine Preisangaben i.S.d. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2019. Zweck des Formblatts 223 ist ausschließlich, Preise, die dem Auftraggeber auffällig erscheinen auf ihre Angemessenheit zu prüfen und ggf. eine gezielte Aufklärung durchzuführen. Ist das Formblatt 223 nicht schon mit dem Angebot einzureichen, so darf der Auftraggeber dieses nicht deshalb anfordern, weil er sich dies vorbehalten hat oder dies in einem Vergabehandbuch oder einer Dienstanweisung so vorgesehen ist. Vielmehr muss ein Grund i.S.d. § 16d EG Abs. 1 VOB/A bestehen (z.B. ein unangemessen hoher oder niedriger Angebotspreis). Vorliegend lag jedoch kein Grund für ein Aufklärungsverlangen vor. Das Angebot des Bieters beinhaltete alle Preise. Bei der Preisprüfung konnte der Auftraggeber keine Auffälligkeiten feststellen. Insbesondere wichen die Preise des preisgünstigsten und zweitplatzierten Bieters nur um weniger als 1 % voneinander ab. Bei fehlendem Aufklärungsbedarf darf also keine Preisaufklärung durchgeführt werden, so die Vergabekammer.