Bejaht der Auftraggeber fehlerhaft die Eignung eines Bewerbers in einem Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb, darf dieser auf das Ergebnis der Eignungsprüfung vertrauen. Eine nachträgliche Aberkennung seiner Eignung in der Angebotsphase ist ausgeschlossen.
Der Auftraggeber schrieb EU-weit einen Auftrag zur Programmierung von Software im Verhandlungsverfahren aus. In einem vorgezogenen Teilnahmewettbewerb befand der Auftraggeber alle Bewerber für geeignet. Nach Abschluss der Angebotsphase und Erhalt des Vorabinformationsschreibens rügte ein Bieter, dass das Unternehmen, welches den Zuschlag erhalten sollte, mangels geforderter Referenzen schon nicht geeignet sei.
Nach erfolgloser Rüge stellte er einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, die ebenfalls zu seinen Ungunsten entschied. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer reichte der Bieter sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf ein. Der Vergabesenat hatte bereits Bedenken hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Rüge, da diese zu unsubstantiiert sei. Hierauf kam es dem Senat aber nicht an, denn die Klage hielt er bereits aus anderen Gründen für unbegründet und bestätigt im Ergebnis die Entscheidung der Vergabekammer. Mit folgender Begründung:
In einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb erfolgt die Eignungsprüfung der Unternehmer noch vor ihrer Zulassung zum Verfahren.
„Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung – anders als im offenen Verfahren – ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf … gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt“, so der Vergabesenat.
Deshalb haben dem OLG Düsseldorf zufolge „Mitbieter … danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens … liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestandes hinzunehmen.“
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist keine Neuheit, denn der Senat beruft sich auf die bereits bestehende Rechtsprechung des BGH (vom 07.01.2014, X ZB 15/13). Dennoch ist der Beschluss aus mehreren Gründen überraschend.
Das OLG Koblenz (13.06.2012, 1 Verg 2/12) entschied bereits 2012, dass „der Auftraggeber … seine Anforderungen an die Eignung … weder verschärfen noch zugunsten einzelner Bieter auf die Erfüllung seiner Vorgaben verzichten [darf].“ Denn alle Bieter sind bei der Eignungsprüfung gleich zu behandeln. Ob die fehlerhafte Bejahung der Eignung bewusst oder versehentlich erfolgt, ist nicht entscheidend. Jedenfalls betrifft eine fehlerhaft festgestellte Eignung nicht nur den geprüften Bieter, sondern sämtliche Verfahrensteilnehmer. Dennoch gewichtet das OLG Düsseldorf die Interessen des zugelassenen Bieters höher. Wegen des Vertrauenstatbestandes seien Fehler bezüglich der Eignung hinzunehmen. Der Senat stellt damit letztlich das Vertrauen einzelner Verfahrensteilnehmer über die Einhaltung des universell geltenden Gleichbehandlungsgebotes.
Die Entscheidung darf durchaus kritisch hinterfragt werden. Denn der Vergabesenat verweist auf das Vertrauen des Bieters in seinen betriebenen Angebotsaufwand und argumentiert mit § 242 BGB (Treu und Glauben). Während dieses Argument etwa bei einer zugunsten eines Bieters fehlerhaft zu lange berechneten Nachforderungsfrist durchaus einleuchtet (OLG Düsseldorf, 03.04.2019, Verg 49/18) liegt der Fall hier anders. Denn der Fehler des Auftraggebers kann nicht darüber hinweghelfen, dass der Bieter materiell ungeeignet ist. Im Ergebnis widerspricht dies auch § 122 Abs. 1 GWB, wonach Aufträge nur an geeignete Bieter vergeben werden dürfen. Schließlich erhält der Bieter hier durch das vergaberechtlich fehlerhafte Vorgehen eine bessere Position als bei einer vergaberechtskonformen Eignungsprüfung.
Wie dieser Widerspruch aufzulösen ist, wenn der zu Unrecht für geeignet befundene Bieter das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, bleibt offen. Hier spricht mehr für einen Wiedereintritt in die Eignungsprüfung. Eine solche ist anerkannt, wenn der öffentliche Auftraggeber nach Abschluss der ursprünglichen Eignungsprüfung neue Erkenntnisse erlangt. Für den Fall, dass er eigene Fehler bei der Eignungsprüfung entdeckt oder durch eine Rüge auf sie hingewiesen wird, gilt das gut begründbar entsprechend.
Erfüllt er die Eignungskriterien nicht, muss er– auch später – vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können. Ob das hier der Fall war, ließ der Vergabesenat aber offen, denn mit dem Verweis auf das schutzwürdige Vertrauen kam es hierauf aus seiner Sicht nicht an.
Das Vertrauen des zu Unrecht für geeignet gehaltenen Bieters lässt sich allerdings eher durch die Anerkennung einer Schadensersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers für den vergeblichen Aufwand bei der Angebotserstellung schützen.