GesetzgebungVergaberecht

Was bedeutet der Brexit für das Vergaberecht?

Als Großbritannien für den Austritt aus der Europäischen Union (EU) stimmte, war das Vergaberecht zunächst kein Thema. Dabei wird der Austritt aus der EU für britische Bieter wie EU-Auftraggeber nicht ohne Auswirkungen bleiben. Während die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien noch laufen, ist nur der sogenannte „Hard Brexit“, also der Austritt zum Ende des 29.03.2019 ohne eine geregelte Vereinbarung, ein klar umschreibbares Szenario. Welche Auswirkungen dieses Worst-Case-Szenario auf das Vergaberecht hätte, hat die Europäische Kommission nun erstmals in einer Kurzmitteilung beleuchtet.

Folgen für Unternehmen im Sektorenbereich

Insbesondere auf Unternehmen im Bereich der Sektorenverordnung mit Sitz in Großbritannien könnten einige Änderungen zukommen. Denn ab dem Stichtag ist Großbritannien ein Drittstaat.

Öffentliche Auftraggeber dürfen nach einem Hard Brexit Angebote zurückweisen, bei denen mehr als 50 % der gelieferten Güter aus Großbritannien stammen (§ 55 Abs. 1 SektVO i.V.m. Art. 85 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25/EU). Dies gilt auch, wenn der Anteil der Waren aus Großbritannien allein unter 50 % liegt, aber zusammen mit denen anderer Drittstaaten über 50 % kommt.

Weitere Folge: Solche Angebote dürfen auch gegenüber Angeboten von EU-Bietern auf der Wertungsebene abgepunktet werden (55 Abs. SektVO i.V.m. Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/25/EU).

Außerhalb des Sektorenbereichs gelten diese Besonderheiten jedoch nicht. Hier bleibt es bei dem Grundsatz, dass die europäischen Beschaffungsmärkte auch Wirtschaftsteilnehmern aus Drittstaaten offenstehen (vgl. OLG Düsseldorf, 31.05.2017, VII-Verg 36/16).

Ausschluss von EU-Beschaffungen

Von Aufträgen europäischer Institutionen werden Unternehmen mit Sitz in Großbritannien komplett ausgeschlossen sein. Denn nach Art. 119 Abs. 1 der EU-Haushaltsordnung sind Unternehmen aus Drittstaaten von Beschaffungen ausgeschlossen, soweit kein besonderes Abkommen (etwa das EWR-Abkommen) besteht.

Hierin liegt wohl die deutlichste Änderung für britische Unternehmen. Dieser vollständige Ausschluss verdeutlicht die Notwendigkeit, im Rahmen der Austrittsverhandlungen über den Zugang britischer Unternehmen zum europäischen Beschaffungsmarkt zu verhandeln.

Exit vom Brexit?

Von einem „Exit vom Brexit“ durch ein neues Referendum bis zu einem Hard Brexit ist jedes Szenario möglich. Aktuell verhandeln die Parteien und deren Unterhändler noch. Zuletzt hatte auch die europäische Seite angekündigt, sich auf einen Hard Brexit vorzubereiten. Die Kurzmitteilung der EU-Kommission kann vor diesem Hintergrund durchaus als Botschaft an die Adresse Großbritanniens verstanden werden, die Folgen eines Hard Brexit nicht zu unterschätzen.

Am Wahrscheinlichsten erscheint derzeit eine Übergangsphase, bevor die zukünftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien in einem Vertrag final geklärt werden. In diesem Abkommen dürfte auch der Zugang der britischen Unternehmen zum europäischen Vergabemarkt niedergelegt sein.