Ein Landkreis beabsichtigte, eine Software für die Bearbeitung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu beschaffen. Dazu wurde eine Markterkundung u.a. via Internetrecherchen und Gesprächen mit möglichen Anbietern über verschiedene Softwarelösungen geführt. Nur ein einziges der Unternehmen bot das vom öffentlichen Auftraggeber gewünschte integrierte Dokumentenmanagementsystem (DMS) an und sollte daher den Auftrag im Wege einer Direktvergabe erhalten. Ein Anbieter bestätigte zuvor in einem Gespräch, dass er kein integriertes DMS besitzt, weshalb er nicht weiter berücksichtigt wurde. Denn das DMS stellte später eine Mindestanforderung dar. Daraufhin rügte dieser Bieter, dass der Landkreis sein Leistungsbestimmungsrecht missbräuchlich ausgeübt habe, da Alternativen zu dem DMS vorliegen und er zudem sehr wohl über das gewünschte DMS verfüge.
Das OLG Rostock entschied, dass es für die Zulässigkeit einer Direktvergabe aus technischen Gründen nach § 14 Abs. 4 Nr. 2b, Abs. 6 VgV nicht auf die subjektive Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers ankommt. Vielmehr ist auf die objektive Unmöglichkeit der Deckung des Beschaffungsbedarfs durch andere Unternehmen abzustellen. Die Direktvergabe darf daher nur erfolgen, wenn keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung vorliegt.
Weiterhin kann sich ein Wettbewerber nicht auf die eigene Leistungsfähigkeit berufen, wenn er im Rahmen der Markterkundung noch ausdrücklich erklärt hat, dass sein Produkt bestimmte, zwingend geforderte technische Spezifikationen nicht erfüllt. Der Landkreis war aufgrund dieser klaren Aussage zu keinen näheren Nachfragen oder Ermittlungen gezwungen, so der Vergabesenat weiter. Dabei ist unerheblich, dass die technische Spezifikation später als Mindestanforderung erhoben wurde. Die Mindestanforderungen waren sachbezogen begründet und nicht bloß aufgestellt, um die Antragstellerin vom Auftrag auszuschließen. Des Weiteren ist die Markterkundung dem Vergabeverfahren vorgelagert und dient vorerst zur Ermittlung des konkreten Beschaffungsbedarfs.
Nach Ansicht des OLG Rostock trägt zwar der öffentliche Auftraggeber die Beweislast für behauptete Erklärungen zur Leistungsunfähigkeit. Dabei kann er aber u.a. auf Vergabevermerke und entsprechende Notizen verweisen, die den Inhalt des Vorgangs – hier des Markterkundungsgesprächs – offenlegen.