Ein öffentlicher Auftraggeber muss das Nachforderungsschreiben an einen Bieter nicht unterschreiben. Denn die Nachforderung von Unterlagen hat gemäß § 9 Abs. 1 VgV mittels elektronischer Mittel in Textform zu erfolgen. Die Textform des § 126b BGB ist bereits eingehalten, wenn lediglich der Name des Erklärenden unter der Grußformel abgedruckt ist.
In einem EU-weiten offenen Verfahren schrieb der Auftraggeber die Fahrbahnerneuerung und Kampfmittelsondierung eines Fahrbahnabschnitts aus. Das Angebot eines Bieters schloss der Auftraggeber aus, nachdem er diesen erfolglos mit einem elektronischen Schreiben zur Nachreichung weiterer Unterlagen aufgefordert hatte. Der Bieter rügte den Ausschluss seines Angebots. Das besagte Schreiben des Auftraggebers entspreche nicht der Textform. Mangels Unterschrift sei nämlich der Aussteller des Schriftstücks nicht erkennbar. Auch fehle es hierdurch an dem erforderlichen Abschluss des Schreibens. Es handle sich daher um einen Entwurf, welcher keine Rechtswirkung entfalte, sodass die Unterlagen gar nicht wirksam nachgefordert seien. Nachdem der Auftraggeber der Rüge nicht abhalf, reichte der Bieter einen Nachprüfungsantrag bei der VK Lüneburg ein. Ohne Erfolg.
An die Textform sind erhebliche geringere Anforderungen als an die Schriftform zu stellen, insbesondere ist keine Unterschrift erforderlich. Vielmehr genügt die Nennung des Erklärenden an einer frei wählbaren Stelle des Schreibens. Möglich ist daher auch eine Nennung im Kopf oder Inhalt der Erklärung.
Doch fordert auch die Vergabekammer den Abschluss der Erklärung. Denn hierdurch
„soll – insoweit ähnlich wie die Unterschrift bei der Schriftform – das Ende der Erklärung kenntlich gemacht werden und damit das Stadium des Entwurfs von dem der rechtlichen Bindung abgegrenzt werden“
Allerdings muss der Abschluss nicht durch Unterschrift erfolgen, denn die Kenntlichmachung des Abschlusses
kann auf verschiedene Weise erfolgen, etwa durch die Nennung des Namens am Textende, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, den Zusatz „Diese Erklärung ist nicht unterschrieben“, aber auch durch eine Datierung oder eine Grußformel“.
Das Nachforderungsschreiben des Auftraggebers mit dem abgedruckten Namen unter der Grußformel entspricht also der Textform. Der Ausschluss des unvollständigen Angebots war im Ergebnis wirksam.