RechtsprechungVergaberecht

Vergütungsanpassungen: Preisermittlung anhand der tatsächlicher Kosten! (OLG Koblenz, Beschluss vom 20.06.2022, 1 U 2211/21)

Die Leistung des Auftragnehmers kann sich nach Vertragsschluss in ihremUmfang vergrößern oder aber verändern. Doch den Umgang mit solchen Veränderungen sehen Verträge nicht immer vor. Was kann der Auftragnehmer hierfür verlangen? Das OLG Koblenz meint: Die Preise für solche Mengenmehrungen und Leistungsänderungen sind anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten zu ermitteln.

Der Auftragnehmer führte für den Auftraggeber Straßenbauleistungen aus. Sie schlossen einen VOB-Vertrag. Eine ausdrückliche Regelung über die Vergütungsanpassung im Falle von zusätzlichen oder geänderten Leistungen sowie die Kostenermittlung schlossen sie nicht. Späterreichte der Auftragnehmer wegen Mehrarbeiten sowie der Verlängerung der Bauzeit unter Anführung der Mehrkosten ein Nachtragsangebot beim Auftraggeber ein. Der Auftraggeber reagierte hierauf nicht. Daraufhin erhob der Auftragnehmer Klage am LG Koblenz. Das Landgericht wies die Klage ab, da der Auftragnehmer seine Ansprüche nicht schlüssig dargelegt habe. Schließlich legte der Auftragnehmer Berufung beim OLG Koblenz ein.

Auch das OLG wies die Berufung zurück und stützte dies nicht nur auf die unschlüssige Darlegung der Kosten, sondern auf einen weiteren Aspekt:

Die Ermittlung eines neuen Preises für die Mehrleistungen ist auf Grundlage der tatsächlich erforderlichen Kosten vorzunehmen. Dies ist das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung, da die Parteien keine Einigung über die Preisermittlung bei Mehrleistungen trafen und dieVOB/B hierzu ebenfalls keine Regelung enthält. Dass die Parteien mögliche Mehrleistungen hätten voraussehen können, ist unbeachtlich, denn:

„Lücken in vertraglichen Regelungen können nicht nur bei unvorhergesehenen Umständen, sondern auch bei vorhersehbaren Ereignissen entstehen, wenn die Parteien trotz der Vorhersehbarkeit für diese keine Vereinbarung treffen. Auch dann greift die … Vorgehensweise zur Ausfüllung der Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung. Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien nach angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte unter Anknüpfung an die im Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen …  als redliche Vertragspartner vereinbart hätten“

Im Ergebnis entspricht es daher

auch bei vorhersehbaren Umständen dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass keine Partei zum Nachteil der anderen profitieren soll und daher die tatsächlichen Kosten, die durch angemessene Zuschläge zugunsten des Unternehmers für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn aufgestockt werden, heranzuziehen sind.“