RechtsprechungVergaberecht

Wann liegen „vergleichbare Referenzprojekte“ vor? (OLG Düsseldorf, 27.04.2022, Verg 25/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab im Wege eines EU-weiten Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb Leistungen der telemedizinischen Versorgung von Versicherten. Als Eignungsnachweis mussten die Bewerber vergleichbare Referenzprojekte der letzten fünf Jahre angeben. Ein Bieter sollte den Zuschlag erhalten. Die unterlegene Bieterin rügte daraufhin die beabsichtigte Zuschlagserteilung, da das Angebot wegen einer unzulässigen Eignungsleihe auszuschließen sei. Nach erfolgloser Rüge stellte die Bieterin einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer stellte jedoch fest, dass sich aus den Vergabeunterlagen kein Ausschluss einer Eignungsleihe ergebe. Zudem sei die Eignungsleihe in § 47 VgV ausdrücklich vorgesehen. Gegen diese Entscheidung legte die Bieterin sofortige Beschwerde ein. Zusätzlich erklärte sie, dass der Bestbieter nicht die Referenzanforderungen erfülle.

Das OLG Düsseldorf entschied zunächst, dass der erstplatzierte Bieter nicht wegen fehlender Eignung gemäß § 57 Abs. 1 VgV von der Wertung auszuschließen war. Ein Ausschluss der Eignungsleihe ergebe sich nicht aus den Vergabeunterlagen. Bei der Auslegung der Unterlagen komme es nicht darauf an, wie ein einzelner Bewerber sie verstehe, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste und konnte. Entsprechend dieser Grundsätze konnte den Vergabeunterlagen hier kein Ausschluss der Eignungsleihe entnommen werden. Insbesondere habe ein durchschnittlicher Bieter Kenntnis darüber, dass die Zulässigkeit der Eignungsleihe und ihr Ausschluss in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehen, so das OLG.

Weiterhin entschied der Vergabesenat, dass die vorgelegten Referenzen der Eignungsleihgeberin den gestellten Eignungsanforderungen genügen. Denn bei dem Begriff „vergleichbare Referenzen“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dabei bedeutet die Formulierung „vergleichbar“ nicht „gleich“ oder gar „identisch“, sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten. Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters handelt es sich um eine Prognoseentscheidung des Auftraggebers, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der Vertragspflichten erwartet werden kann. Dem Auftraggeber steht hierfür ein Beurteilungsspielraum zu, der nur teilweise durch die Nachprüfungsinstanzen überprüft werden kann. Der Auftraggeber hielt sich hier an alle Anforderungen, da die eingereichten Referenzen des Bieters alle Voraussetzungen für die Vergleichbarkeit mit dem Leistungsgegenstand erfüllten (z.B. mind. 5.000 Versicherte, mind. 20 Mitarbeiter). Die Beurteilung des Auftraggebers war daher vergaberechtsfehlerfrei, so der Vergabesenat.