RechtsprechungVergaberecht

Fachpersonal muss ausnahmsweise schon bei Angebotsabgabe verfügbar sein (VK Sachsen, 01.08.2022, 1/SVK/010-22)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab in einem offenen Verfahren einen Auftrag zum Abschleppen und Sicherstellen von ordnungswidrigen parkenden Fahrzeugen. Ein Bieter sollte den Zuschlag erhalten. Ein Einzelunternehmen einer Bietergemeinschaft rügte u.a. jedoch, dass dem Bieter die personelle Leistungsfähigkeit fehle. Der Auftraggeber wies die Rüge zurück, da nicht erkennbar sei, dass sie im Auftrag der Bietergemeinschaft abgegeben worden sei. Daraufhin erklärte der Verfahrensbevollmächtigte, dass er die Bietergemeinschaft vertrete und die Rüge des Einzelunternehmens daher im Namen der Bietergemeinschaft abgegeben wurde. Nach Nichtabhilfe des Auftraggebers stellte die Bietergemeinschaft einen Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer Sachsen stellte zunächst fest, dass der Nachprüfungsantrag zulässig sei. da der Verfahrensbevollmächtigte darauf verwies, dass er die Bietergemeinschaft vertrete und die Rüge ebenfalls im Auftrag der Bietergemeinschaft abgegeben worden sei. Ein Nachprüfungsantrag wäre dagegen unzulässig, wenn ein nicht ermächtigtes Mitglied einer Bietergemeinschaft die Rechtsverletzung geltend macht oder die Ermächtigung nicht spätestens mit der Rüge offengelegt wird (vgl. OLG Dresden, 23.07.2013, Verg 4/13). Das war hier aber gerade nicht der Fall.

In der Sache entschied die Vergabekammer, dass die personelle Ausstattung des Bestbieters nicht zu beanstanden sei. Denn grundsätzlich sei es nicht erforderlich, dass dem Bieter im Zeitpunkt der Angebotswertung oder Zuschlagserteilung die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits zur Verfügung stehen müssen. Das gilt insbesondere für Fachpersonal, das erst auf Grundlage des erteilten Auftrags für den Bieter erforderlich ist und arbeitsvertraglich gebunden werden muss. Etwas anderes gilt zwar ausnahmsweise dann, wenn es sich bei den zu vergebenden Dienstleistungen – wie hier – um solche handelt, für die auf dem Arbeitsmarkt nur eine begrenzte Anzahl an geeigneten Mitarbeitern zur Verfügung steht und daher nicht von einer jederzeitigen Verfügbarkeit ausgegangen werden kann. In diesem Fall reicht allein das Vorhandensein potentieller Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt nicht aus. Erforderlich ist dann vielmehr, dass hiervon eine ausreichende Anzahl potentieller Mitarbeiter auch nachweislich bereit ist, die entsprechenden Dienste für den Bieter zu erbringen. Bieter müssen in dem Angebot daher konkret darlegen, aus welchen Gründen ihnen das erforderliche Personal bei Vertragsbeginn tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Hier konnte die Bietergemeinschaft glaubhaft darlegen, dass sie über ausreichend viele Fahrer zur Leistungserbringung verfüge. Auch der Auftraggeber kam im Ergebnis seiner Eignungseinschätzung dazu, dass keine Zweifel an dem Leistungsversprechen und der Eignung des Bieters bestanden haben.