Am 07.07.2022 hat der Bundestag das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG) beschlossen. Es soll dem Bundesministerium der Verteidigung für einen beschränkten Zeitraum, vergaberechtliche Erleichterungen einräumen und so die Vergabe öffentlicher Aufträge beschleunigen. Der Rechtsschutz in Nachprüfungsverfahren soll weiter eingeschränkt werden.
Nach § 1 Abs. 1 des Entwurfs dient das BwBBG „dem zeitnahen Erreichen eines breiten, modernen und innovationsorientierten Fähigkeitssprektrums der Bundeswehr und damit der Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“. Es gilt für öffentliche Aufträge über die Lieferung von Militärausrüstung zur unmittelbaren Stärkung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze im Sinne von § 104 Abs. 2 GWB und für Bau- und Instandhaltungsleistungen.
Vergabeverfahren sollen u.a. durch folgende Änderungen beschleunigt werden:
- Erleichterung der gemeinsamen Vergabe von mehreren Teil- oder Fachlosen:
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 BwBBG dürfen abweichend von § 97 Abs. 4 S. 3 GWB mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben werden. Eine gemeinsame Vergabe kann aus wirtschaftlichen, technischen oder insbesondere aus zeitlichen Gründen gerechtfertigt sein.
- Identifizierung marktverfügbarer Leistungen:
Auftraggeber sollen nach § 3 Abs. 7 S. 1 BwBBG im Rahmen der Markterkundung bereits am Markt verfügbare Leistungen und Produkte identifizieren. Beschaffungen sollen insbesondere durch den Einkauf bereits marktverfügbarer Lösungen („off the shell“) beschleunigt und kosteneffizienter gestaltet werden. Beschafft der Auftraggeber dennoch nicht schon am Markt verfügbare Leistungen, so hat er im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung die Gründe und den Nutzen für diese Leistung anzugeben.
Für gemeinsame europäische Beschaffungen sind u.a. folgende Änderungen bzw. Maßnahmen gemäß § 4 BwBBG vorgesehen:
- Beschränkung auf Teilnehmer aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU):
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 BwBBG dürfen Auftraggeber abweichend von § 97 Abs. 2 GWB die Teilnahme an einem Vergabeverfahren auf Bewerber oder Bieter, die in einem Mitgliedsstaat der EU ansässig sind, beschränken.
- Ausnahmen im Rahmen europäischen Beschaffungen:
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BwBBG wird das deutsche Gebot der losweisen Vergabe auf die gemeinsame europäische Beschaffung ausnahmsweise nicht angewendet. Dies soll Kooperationen mit anderen Mitgliedsstaaten ermöglichen, die eine entsprechende Regelung nicht kennen.In § 4 Abs. 2 Nr. 5 BwBBG wird berücksichtigt, dass ein technisches Alleinstellungsmerkmal nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 VSVgV auch dann vorliegt, wenn nur die Beschaffung von Ausrüstung, die bereits bei einem Mitgliedsstaat im Einsatz ist, eine gemeinsame Durchführung des öffentlichen Auftrags ermöglicht.
Der Rechtsschutz vor Vergabekammern und -senaten soll zudem weiter beschränkt werden. Dafür sollen gemäß § 5 BwBBG folgende Neuerungen gelten:
- Entscheidung nach Aktenlage zur Beschleunigung des Verfahrens:
Nach § 5 Abs. 1 BwBBG kann ergänzend zu § 166 Abs. 1 S. 3 GWB auch dann nach Lage der Akten entschieden werden, wenn es der Beschleunigung dient.
- Vergabekammer hat stets § 1 BwBBG zu berücksichtigen:
Nach § 5 Abs. 2 BwBBG hat die Vergabekammer bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen im Falle der Rechtsverletzung eines Antragstellers (vgl. § 168 Abs. 1 S. 1 GWB) den Zweck des § 1 BwBBG zu berücksichtigen. Zudem ist bei der Abwägung nach § 169 Abs. 2 S. 1 GWB über die vorzeitige Gestattung des Zuschlags ebenfalls der Zweck des § 1 BwBBG zu beachten (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 BwBBG). Die besonderen verteidigungs- und Sicherheitsinteressen sollen hier in der Regel überwiegen, wenn der öffentliche Auftrag im unmittelbaren Zusammenhang mit der Stärkung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr steht.
- Keine Unwirksamkeit des Auftrags bei Verstoß des Auftraggebers:
Stellt die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren einen Verstoß des Auftraggebers i.S.d. § 135 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB fest, so ist der Vertrag nicht automatisch unwirksam. Vielmehr hat die Vergabekammer zu prüfen, ob zwingende Gründe des Allgemeininteresses die Wirksamkeit des Vertrages ausnahmsweise rechtfertigen (§ 3 Abs. 4 S. 1 BwBBG). Liegt eine solche Ausnahme vor, so ist dem Auftraggeber eine Sanktion aufzuerlegen (§ 3 Abs. 5 BwBBG). In Frage kommen insbesondere Geldsanktionen in Höhe von bis zu 15 % des Auftragswerts oder die Verkürzung der Vertragslaufzeit.
Auch das Beschwerdeverfahren, in dem anders als vor der Vergabekammer (5 Wochen) keine Entscheidungsfrist gilt, soll gemäß § 6 BwBBG beschleunigt werden:
- Vergabesenat hat stets § 1 BwBBG zu berücksichtigen:
Nach § 6 Abs. 1 BwBBG hat der Vergabesenat bei der Abwägung nach § 173 Abs. 2 S.1 GWB den Zweck des § 1 BwBBG zu berücksichtigen. Dabei überwiegen die besonderen Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen in der Regel. Zudem ist der Zweck des § 1 BwBBG auch im Rahmen der Interessenabwägung des § 176 Abs. 1 S. 1 GWB9 zu berücksichtigen – auch hier soll er in der Abwägung, in der Regel überwiegen.
- Entscheidung nach Aktenlage zur Beschleunigung des Verfahrens:
Nach § 6 Abs. 1 S. 1 BwBBG kann auch das Beschwerdegericht im Ausnahmefall nach Lage der Akten entscheiden, insbesondere, wenn dies der Beschleunigung dient und kein unmittelbarer Eindruck der Parteien oder direkter Austausch erforderlich ist.
- Sechsmonatige Entscheidungsfrist:
Nach § 6 Abs. 5 S. 1 BwBBG hat die Beschwerdeentscheidung innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Eingang der sofortigen Beschwerde zu erfolgen. Vorsitzende dürfen diese Frist nur einmalig und maximal um vier Wochen verlängern.
Für die verstärkte Berücksichtigung von Sicherheitsinteressen im Vergabeverfahren sind u.a. folgende Änderungen bzw. Maßnahmen gemäß § 7 BwBBG vorgesehen:
- Militärischen Nachrichtenwesen von § 145 GWB umfasst:
Nach § 7 Abs. 1 BwBBG umfasst § 145 GWB nun auch Aufträge, die den Zwecken der Tätigkeiten des militärischen Nachrichtenwesens dienen. Das Gesetz konkretisiert somit, dass auch Aufklärungsaktivisten des militärischen Nachrichtenwesens der Bundeswehr von der Regelung umfasst sind.
- Ausschluss von Bietern und Unterauftragnehmern außerhalb der EU:
Abweichend von dem Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. § 97 Abs. 2 GWB) dürfen Bieter von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn sie in einem Staat außerhalb der EU ansässig sind, der nicht die notwendige Gewähr für die Wahrung der Sicherheitsinteressern Deutschlands bietet. Des Weiteren können Auftraggeber gemäß § 7 Abs. 3, 4 BwBBG verlangen, dass Bieter auch keine Unterauftragnehmer stellen, die außerhalb der EU ansässig sind.