Eine Sekorenauftraggeberin schrieb EU-weit im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb einen Dienstleistungsauftrag aus. Ein Zuschlagskriterium betraf Bietergespräche einschließlich der Präsentation eines vergleichbaren Projekts. Ein Bieter erhielt keinen Zuschlag, da das Angebot nicht das wirtschaftlichste sei. Bei der Präsentation im Bietergespräch erreichte ein anderer Bieter eine höhere Punktzahl. Der zweitplatzierte Bieter rügte daraufhin, dass die Bewertung der Präsentation fehlerhaft sei, da zu ihr Unterkriterien gebildet wurden, die nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben wurden. Weiterhin habe keine Verhandlung zwischen ihm und der Auftraggeberin stattgefunden.
Die Vergabekammer entschied, dass die Auftraggeberin gegen § 127 Abs. 5 GWB und § 52 Abs. 3 SektVO verstieß, indem sie mehrere Unterkriterien mit eigener Gewichtung in dem Zuschlagskriterium „Bietergespräch“ bildete, ohne diese vorher bekanntzumachen oder in den Vergabeunterlagen zu veröffentlichen. Bietern sind demnach neben den Zuschlagskriterien auch alle Unterkriterien (auf allen Ebenen), Gewichtungsregeln oder Bewertungsmatrizen mitzuteilen.
Zu dem Vorwurf ausgebliebener Verhandlungen wies die Vergabekammer darauf hin, dass ein Auftraggeber den Auftrag nach neuem Recht auf Grundlage der Erstangebote vergeben darf, ohne in Verhandlungen zu treten, wenn er sich diese Möglichkeit in der Auftragsbekanntmachung vorbehalten hat (§ 15 Abs. 4 SektVO). Andernfalls dürfen Bieter damit rechnen, dass zumindest eine Verhandlungsrunde erfolgt. Will ein Auftraggeber nicht verhandeln, so ist eine andere Verfahrensart zu wählen oder ein entsprechender Vorbehalt in die Bekanntmachung aufzunehmen. Vorliegend hätte die Auftraggeberin daher Verhandlungen mit dem Bieter durchführen müssen.