RechtsprechungVergaberecht

Keine Direktvergabe bei selbstverschuldetem Zeitdruck (VK Lüneburg, 23.06.2021, VgK-19/2021)

Ein Sektorenauftraggeber vergab in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb einen Rahmenvertrag über Informations- und Telekommunikationsdienstleistungen. Ein am Auftrag interessiertes Unternehmen, dass der Auftraggeber zuvor zu einer Präsentation eingeladen hatte, erfuhr von dem Auftrag erst durch die Bekanntmachung des vergebenen Auftrages im EU-Amtsblatt. Daraufhin rügte es die Direktvergabe als unzulässig. Der Auftrag sei gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB von Anfang an nichtig. Insbesondere treffe die Begründung des Auftraggebers, dass aus Zeitdruck und technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden sei, nicht zu, das Unternehmen verfüge über die geforderte Leistung.

Die VK Lüneburg entschied, dass die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) SektVO nicht vorlagen. Die Direktvergabe erfordert das Vorliegen objektiver, sachverhaltsbezogener und dem Auftraggeber nicht zurechenbarer Gründe, die ihn daran hindern, ein Verfahren mit Teilnahmewettbewerb einzuhalten. Diese fehlten vorliegend:

Die Kammer erklärte, dass für eine besondere Situation nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 lit. b SektVO eine Dokumentation zur Markterkundung und zu den technischen Gründen in nachvollziehbarer Tiefe notwendig ist (vgl. §§ 26, 8 SektVO). Hier hat der Auftraggeber nur ausgeführt, dass aufgrund von Art und Umfang der technischen Anforderungen keine vergleichbaren Angebote zu erwarten seien. Dies widerspreche jedoch der Lebenserfahrung. Denn was Menschen nicht kreativ erschaffen, sondern konstruktiv nach Vorgaben errichten sollen, könne man vorab beschreiben. Vorliegend habe der Auftraggeber trotz Alternativen und erkennbaren Ersatzlösungen die Auswahl verengt und damit den Wettbewerb künstlich eingeschränkt.

Weiterhin fehlte die tatsächliche Dringlichkeit nach § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO, auf die sich der Auftraggeber berief. Eine Begrenzung des Bieterfeldes wegen Zeitdrucks ist grundsätzlich durch eine nachvollziehbare Terminplanung sachlich zu begründen. Allerdings hatte der Auftraggeber den Zeitdruck durch jahrelange Untätigkeit selbst zu verschulden. Auch eine Terminplanung lag nicht vor. Eine so verursachte Eilbedürftigkeit ist aber nie geeignet, ein Abweichen vom Wettbewerb zu rechtfertigen.