RechtsprechungVergaberecht

Führen mehrere Angebote eines Bieters zum Ausschluss? (BayObLG, 24.06.2021, Verg 2/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab in einem EU-weiten offenen Verfahren Busverkehrsdienstleistungen. Hinter beiden eingegangenen Angebote stand dieselbe natürliche Person. Ein Angebot reichte der Bieter in seiner Eigenschaft als eingetragener Einzelkaufmann ein. Das zweite Angebot lautete auf eine GmbH, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter dieser Kaufmann ist. Der Auftraggeber schloss beide Angebote mit der Begründung aus, gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstoßen und den Wettbewerb verfälscht zu haben. Nach erfolgloser Rüge des Auftraggebers stellte dieser einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer entschied zugunsten des Bieters, dass die beiden Angebote wieder in die Prüfung aufzunehmen seien. Der Auftraggeber legte gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde ein.

Das Bayrische Oberste Landesgericht setzte das Verfahren aus, um eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Hintergrund war, dass nach Ansicht des Vergabesenats die beiden Bieter wegen der gemeinsamen wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen eine wirtschaftliche Einheit darstellen und Angebote daher wie (Haupt-)Angebote durch ein und denselben Bieter zu betrachten sind. Grund hierfür sei, dass die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern Weisungen der Muttergesellschaft folgt. Unerheblich sei, dass die „Mutter“ hier keine Gesellschaft, sondern ein eingetragener Einzelkaufmann ist, so die Auffassung des BayObLG.

Außerdem hatte der Vergabesenat Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Art. 57 Abs. 4 lit. d) der Richtlinie 2014/24/EU. Denn nach seiner Auffassung sei die Vorschrift nicht dahingehend auszulegen, dass auch Bieter, die eine wirtschaftliche Einheit darstellen und abgestimmte Angebote abgeben, hiernach ausgeschlossen werden können. Ein Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs liege nämlich nur vor, wenn eine kartellrechtliche Norm verletzt wurde. Eine solche Verletzung ist nach dem Konzernprivileg jedoch ausgeschlossen. Auch die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung lag nach Auffassung des Senats nicht vor.

Der EuGH muss nun die aufgeworfenen Rechtsfragen klären.