RechtsprechungVergaberecht

Bieter haben Anspruch auf Preisprüfung bei Mitbewerber (BGH, 31.01.2017, X ZB 10/16)

Der BGH stärkt die Rechte unterlegener Bieter: Möchte der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot erteilen, dürfen unterlegene Bieter von ihm verlangen, dass er das Zustandekommen des niedrigen Preises prüft.

Nach § 60 Abs. 1, 2 VgV muss der öffentliche Auftraggeber bei Zweifeln an der Auskömmlichkeit eines Angebots vom Bieter Aufklärung verlangen. Die Rechtsprechung verstand § 60 VgV früher als reine Schutzvorschrift zugunsten des öffentlichen Auftraggebers. Auffällig niedrige Angebote bergen das Risiko, dass der Unternehmer die geforderte Leistung nicht einwandfrei und vollständig erbringen kann. Das änderte sich 2012: Denn der EuGH entschied, dass der öffentliche Auftraggeber dem betroffenen Bieter vor einem Angebotsauschluss die Möglichkeit geben muss, die Bedenken hinsichtlich seines niedrigen Angebotspreises auszuräumen.

Verbot von Unterkostenangeboten schützt auch Mitbewerber

Den vom EuGH anerkannten Drittschutz der Vorschrift dehnte der BGH jetzt auch in die andere Richtung aus. Er gewährt jedem Bieter einen Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote von Mitbewerbern prüft.

Die Verletzung seines Rechts aus § 60 Abs. 1, 2 VgV kann ein Bieter im Nachprüfungsverfahren rügen. Bevor dort aber Akteneinsicht in Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse aus dem ungewöhnlich niedrigen Angebot des Mitbewerbers gewährt wird, muss die Vergabekammer in einem sogenannten „in-camera-Verfahren“ das Offenlegungsinteresse gegen das Geheimhaltungsinteresse abwägen.