RechtsprechungVergaberecht

Dürfen Angebote nur vom Auftraggeber geöffnet werden? (VK Südbayern, 02.01.2018, Z3-3-3194-1-47-08/17)

Es entspricht gängiger Praxis, dass sich öffentliche Auftraggeber bei der Öffnung von Angeboten durch externe Dritte, insbesondere Rechtsanwälte, unterstützen lassen. Die Vergabekammer Südbayern sorgt mit einer aktuellen Entscheidung für Verunsicherung.

§ 55 Abs. 2 VgV schreibt vor:

„Die Öffnung der Angebote wird von mindestens zwei Vertretern des öffentlichen Auftraggebers gemeinsam an einem Termin unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist durchgeführt. Bieter sind nicht zugelassen.“

Daraus folgert die Vergabekammer, dass mindestens ein Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers bei der Öffnung anwesend sein muss. Dazu führt sie aus:

„Angesichts des Zwecks des § 55 Abs. 2 VgV – durch ein formalisiertes Verfahren mit 4-Augen-Prinzip – Manipulationen bei der Angebotsöffnung zu erschweren, ist die Vergabekammer Südbayern der Ansicht, dass die Öffnung sowohl der Teilnahmeanträge als auch der Honorarangebote nicht vollständig an ein Büro übertragen werden kann, sondern vom Auftraggeber selbst durchzuführen ist. An Büros übertragen werden dürfen grundsätzlich nur solche Tätigkeiten im Vergabeverfahren, bei denen der Auftraggeber das Handeln des beauftragten Büros im Nachhinein nachvollziehen und es sich zu Eigen machen kann. Es erscheint schwer vorstellbar, wie sich der Auftraggeber das Vorgehen bei der Öffnung zu Eigen machen kann, insbesondere von einer Manipulationsfreiheit ausgehen kann, wenn er dabei nicht mit zumindest einem eigenen Mitarbeiter beteiligt war.“

Diese Auffassung ist nicht nur praxisfern, sie überzeugt auch aus vergaberechtlicher Sicht nicht.

Zum einen können Vertreter im Sinne des § 55 Abs. 2 VgV auch externe Bevollmächtigte sein. Die VgV unterscheidet nämlich ausdrücklich zwischen „Vertretern“ (§§ 55 Abs. 2, 58 Abs. 5 VgV) und „Mitarbeitern des öffentlichen Auftraggebers“ (§ 6 Abs. 1 VgV). Da die VgV keine weitere Einschränkung macht, dürfen außerdem beide bei der Angebotsöffnung Anwesenden externe Vertreter sein.

Speziell mit Blick auf häufig als Vertreter beauftragte Rechtsanwälte übersieht die Vergabekammer zum anderen die besondere berufliche und standesrechtliche Stellung von Rechtsanwälten. Der Rechtsanwalt ist ein besonders vereidigtes, unabhängiges Organ der Rechtspflege (§§ 1, 12a BRAO). Als solcher ist er kraft Gesetzes zu besonderer Sorgfalt (z.B. Verschwiegenheit, Verbot von Interessenskonflikten) verpflichtet (§§ 43, 43a BRAO). Die besondere Stellung des Rechtsanwalts begründet damit ein Vertrauen in dessen Integrität, die es rechtfertigt, ihm die Öffnung von Angeboten in Vergabeverfahren treuhänderisch zu übertragen.

Ob der Auffassung der Vergabekammer, die im Gesetz keine Stütze findet, weitere Gerichte folgen, darf bezweifelt werden. Denn dies würde das Ende der bundesweit in zahlreichen Vergabeverfahren praktizierten Auslagerung der Angebotseinholung an externe Beauftragte bedeuten. „Externe Vergabestellen“ würden damit der Vergangenheit angehören, wenn deren Büro nicht ausnahmsweise in Ortsnähe zum öffentlichen Auftraggeber liegt, so dass dieser seine Vertreter zur Angebotsöffnung entsenden kann. In Zeiten der E-Vergabe mutet diese Auffassung der Abwicklung von Vergabeverfahren doch sehr archaisch an.

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