RechtsprechungVergaberecht

Ärztekammern als öffentliche Auftraggeber? – Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH (30.01.2013, Rs. C-526/11)

Zu dem Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 05.10.2011, VII-Verg 38/11)  in der Rechtssache IVD GmbH & Co. KG ./. Ärztekammer Westfalen-Lippe hat der Generalanwalt beim EuGH Paolo Mengozzi am 30.01.2013 seine Schlussanträge gestellt. Darin schlägt er dem EuGH vor, die Ärztekammer Westfalen-Lippe nicht als öffentliche Auftraggeberin einzuordnen.

Generalanwalt lehnt Auftraggebereigenschaft ab

Hintergrund ist Anhang III der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG. Gemäß Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie werden dort diejenigen Einrichtungen genannt, die nach Ansicht der jeweiligen Mitgliedstaaten öffentliche Auftraggeber sind und damit bei Beschaffungsvorgängen das EU-Vergaberecht anwenden müssen. Unter Ziff. III, 1.1, heißt es dort für die Bundesrepublik Deutschland:

„berufsständische Vereinigungen (Rechtsanwalts-, Notar-, Steuerberater-,   Wirtschaftsprüfer-, Architekten-, Ärzte- und Apothekerkammern)“

Überraschend ist deshalb, dass der Generalanwalt die Auftraggebereigenschaft der Ärztekammer Westfalen-Lippe ablehnt. Denn die Ärztekammern sind im Anhang III der Richtlinie 2004/18/EG ausdrücklich genannt.

Freie Entscheidung über Beitragshöhe

Zur Begründung führt der Generalanwalt insbesondere aus, dass die Ärztekammer Westfalen-Lippe frei über die Beitragshöhe entscheiden könne. Diese werde, anders als bei öffentlichen Rundfunkanstalten (EuGH, Urteil vom 11.06.2009, Rs. C-300/07) oder gesetzlichen Krankenkassen (EuGH, Urteil vom 13.12.2007, Rs. C‑337/06), nicht gesetzlich festgelegt. Deshalb fehle es an der „überwiegenden staatlichen Finanzierung“, um die Ärztekammer Westfalen-Lippe als öffentliche Auftraggeberin einzuordnen.

Der EuGH schließt sich den Voten der Generalanwälte in der Regel an. Dies würde bedeuten, dass die Ärztekammer Westfalen-Lippe und damit auch andere vergleichbar verfasste Ärztekammern nicht das EU-Vergaberecht beachten müssten. Spannend wird insbesondere sein, ob sich das Gericht über den Inhalt des Anhangs III der Richtlinie 2004/8/EG hinwegsetzen wird.