RechtsprechungVergaberecht

Bieter aus Drittstaaten haben nur begrenzt Zugang zu EU-Vergabeverfahren (EuGH, Urteil vom 22.10.2024, C-652/22)

Die EU hat mit diversen Drittländern internationale Übereinkünfte geschlossen, die Unternehmen aus allen beteiligten Ländern wechselseitigen Zugang zu Vergabeverfahren in den jeweils anderen Ländern ermöglichen. Bekanntestes Beispiel ist das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA).

Bieter aus Drittstaaten ohne Übereinkunft mit der EU

Das OLG Düsseldorf entschied 2017 (Beschluss vom 31.05.2017, Verg 36/16), dass auch Unternehmen aus Drittstaaten, die keine entsprechende Vereinbarung mit der EU geschlossen haben, an EU-Vergabeverfahren teilnehmen dürfen und wie andere Bieter auch subjektive Rechte im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB auf Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen haben. Weder aus vergaberechtlichen Vorschriften noch aus dem GPA ergebe sich, dass der Schutz vor Willkür des Auftraggebers und der Zugang zu den Vergabenachprüfungsinstanzen auf Unternehmen mit Sitz in Europa beschränkt sei. Mit Beschluss vom 01.12.2021 (Verg 54/20) bekräftigte der Vergabesenat diese Linie.

Diese weite Auslegung der Vergaberichtlinien schränkt der EuGH nun ein: Gegenstand der EuGH-Entscheidung war zwar eine Sektorenvergabe, der EuGH positioniert sich allerdings zum europäische Beschaffungsmarkt insgesamt. Der EuGH betont, dass ausschließlich die EU dafür zuständig ist, den Drittstaatenunternehmen den Zugang zum EU-Vergaberecht zu eröffnen. Die Mitgliedsstaaten dürfen im Umkehrschluss nicht gesetzgeberisch tätig werden, um Unternehmen aus Drittstaaten den Zugang zum Beschaffungsmarkt der EU zu eröffnen.

Dürfen Auftraggeber Bieter aus Drittstaaten dennoch zur Teilnahme am Vergabeverfahren zulassen?

Zwar dürfen Auftraggeber Unternehmen aus Drittstaaten, mit denen die EU keine Übereinkunft über den gegenseitigen Zugang zu den Beschaffungsmärkten geschlossen hat, im Einzelfall zur Teilnahme an Vergabeverfahren in der EU zulassen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Unternehmen subjektive Rechte aus den EU-Vergaberichtlinien geltend machen dürfen. Insbesondere dürfen sie keine Gleichbehandlung mit Bietern fordern, die aus den EU-Mitgliedsstaaten oder Drittstaaten mit verbindlichen Übereinkünften stammen. Auftraggeber sollten in diesen Fällen in den Vergabeunterlagen die Bedingungen der Teilnahme solcher Unternehmen festlegen, um Missverständnisse oder Unklarheiten zu vermeiden.

Im Ergebnis trennt der EuGH klar: Zwar haben Auftraggeber die Möglichkeit, diese Drittstaatunternehmen im Einzelfall zur Teilnahme an Vergabeverfahren zuzulassen. Subjekte Rechte aus den Vergaberichtlinien (konsequenterweise auch der Rechtsmitteländerungsrichtlinie) stehen diesen Unternehmen hingegen nicht zu. Damit haben sie auch keinen Zugang zu den Vergabenachprüfungsinstanzen, ein Nachprüfungsantrag wäre unzulässig (§ 156 Abs. 2 GWB).