RechtsprechungVergaberecht

Auch eine Interimsvergabe setzt einen Mindestmaß an Wettbewerb voraus (BayObLG, 31.10.2022, Verg 13/22)

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Ein öffentlicher Auftraggeber vergab in einem EU-weiten offenen Vergabeverfahren Bewachungsdienstleistungen. Das Angebot eines Bieters, der bisher der Bestandsdienstleister war, wurde nicht weiter berücksichtigt, da es nur den 12. Platz belegte. Nachdem der Bieter die Entscheidung des Auftraggebers erfolglos rügte, stellte er einen Nachprüfungsantrag. Der Auftraggeber entschied sich daraufhin dazu, einen Interimsauftrag mit einer kürzeren Laufzeit zu vergeben, da das Nachprüfungsverfahren eine Zuschlagserteilung verhinderte. Hierzu forderte er vier andere Unternehmen zur Angebotsabgabe auf. Nachdem der Bestandsdienstleister hiervon Kenntnis erlangte, stellte er einen Nachprüfungsantrag gegen die beabsichtige Interimsvergabe, da er nicht ebenfalls zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde und keine Dringlichkeit gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV vorlag. Vielmehr habe der Auftraggeber die Dringlichkeit selbst verschuldet, da er den Hauptauftrag zu kurzfristig ausgeschrieben habe.

Das Bayrische Oberstes Landesgericht stellte klar, dass Auftraggeber auch im Rahmen eines Interimsauftrages im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb für einen angemessenen Bieterwettbewerb sorgen müssen. Dabei darf die Teilnehmeranzahl auf beispielsweise drei Bieter begrenzt werden, sofern die Unternehmen nachvollziehbar und willkürfrei ausgewählt wurden. Nicht gerechtfertigt sei es dagegen, wenn lediglich ein einziger Bieter in die Verhandlungen einbezogen werde. Für die Beurteilung, in welchem Umfang interessierte Bieter zur Angebotsabgabe einzuladen sind, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich. Hierfür genüge es nicht, dass der klagende Bieter der Bestandsdienstleister war. Zwar hat der Auftraggeber auch in Eilfällen einen angemessenen Wettbewerb zu ermöglichen. Ist ein Vergabeverfahren bereits eingeleitet, der Zuschlag aber – wie hier – durch ein Nachprüfungsverfahren blockiert, so sind in die Interimsverhandlung grundsätzlich die Bieter einzubeziehen, die ein Angebot abgegeben haben. Der Auftraggeber darf dabei allerdings den Kreis der aufzufordernden Unternehmen aufgrund der Dringlichkeit auf eine angemessene Zahl begrenzen. Hier hatte der Auftraggeber, die aus seiner Sicht vier aussichtsreichsten Bieter zur Angebotsabgabe für den Interimsauftrag aufgefordert. Die so vorgenommene Auswahlkriterien der Bieter war damit nachvollziehbar und von Sachgründen getragen, so das BayObLG.

Weiterhin erklärte der Vergabesenat, dass die Dringlichkeit gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV für eine Interimsvergabe vorliege. Denn der Nachprüfungsantrag in dem offenen Vergabeverfahren habe nach summarischer Prüfung ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. Zudem waren bei Verzögerungen des Interimsauftrages schwere nachteilige Folgen für hochwertige Rechtsgüter wie die Gesundheit und körperliche Integrität von Schutzbedürftigen zu erwarten. Der Vergabesenat entschied daher, dass eine Interessenabwägung eindeutig zu Gunsten des Auftraggebers führt. Ein vorzeitiger Zuschlag gemäß § 169 GWB war mithin ausnahmsweise zu gestatten.

Bereits in einer früheren Entscheidung (11.11.2021, 17 Verg 4/21) stellte das OLG Rostock klar, dass Auftraggeber auch bei einer Interimsvergabe mehrere Angebote einholen müssen, um auch hier ein Mindestmaß an Wettbewerb zu ermöglichen.