RechtsprechungVergaberecht

Frühere Beauftragung kann unzulässiger Wettbewerbsvorteil sein (VK Bund, 21.09.2021, VK 2 – 87/21)

Ein öffentlicher Auftraggeber vergab in einem EU-weiten offenen Verfahren einen Dienstleistungsauftrag. Die Bieter mussten Konzepte zu Systemzielen entwickeln, die sich nur grob aus der Leistungsbeschreibung ergaben. Die Systemziele erarbeitete der Auftraggeber zuvor im Rahmen eines Auftrages mit einem Dienstleister. Derselbe Dienstleister nahm auch am aktuellen Vergabeverfahren teil und sollte auch dieses Mal den Zuschlag erhalten. Daraufhin reichte ein Mitbewerber einen Nachprüfungsantrag ein. Denn der Bestbieter habe aufgrund des Vorauftrags einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gehabt.

Die VK Bund gab ihm Recht und stellte fest, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) vorliegt. Denn der Auftraggeber habe es versäumt, den wettbewerbsverzerrenden Wissensvorsprung des Bestbieters gegenüber den anderen Bietern auszugleichen. Indem er den Auftraggeber bereits in dem Vorauftrag dabei unterstütze, die Systemziele festzulegen, war er vorbefasst im Sinne von § 7 VgV. Denn der erste Auftrag war kein vom streitgegenständlichen Auftrag losgelöster Vorauftrag, sondern betraf unmittelbar die Vorbereitung des aktuellen Vergabeverfahrens.

Aus diesen Gründen sah es die Vergabekammer als erwiesen an, dass der Bestbieter durch den Vorauftrag Kenntnisse und Informationen erlangte, die für die Angebotserstellung in dem späteren Verfahren, von wesentlichem Vorteil waren. Der Auftraggeber hätte zur Sicherung eines unverzerrten Wettbewerbs den anderen Bietern die genauen Systemziele mitteilen und anschließend neue Angebote einholen müssen. Da dies nicht erfolgte, ist das Vergabeverfahren zurückzusetzen, so die Vergabekammer.

Die VK Bund betonte bereits in einer früheren Entscheidung (10.03.2017, VK 2-19/17), dass ein Unternehmen nicht automatisch einen wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil hat, weil es schon einmal einen ähnlichen Auftrag ausführte. Es ist also strikt zu trennen zwischen unzulässigen Vorsprüngen aufgrund einer Vorbefassung und lediglich unterschiedlich gut aufgestellten und erfahrenen Unternehmen.