Für eine Vorabgestattung des Zuschlags in einem Nachprüfungsverfahren über ein Großprojekt hat der öffentliche Auftraggeber ein besonderes Beschleunigungsinteresse nachzuweisen. Umsatzeinbußen und der Hinweis auf die Dauer von vorangegangenen Vergabeverfahren reichen hierfür nicht aus.
Eine öffentliche Auftraggeberin vergab in einem EU-weiten offenen Verfahren Bauleistungen, wobei der Preis das alleinige Zuschlagskriterium war. Nur ein Bieter gab ein Angebot ab. Dieses überstieg die geschätzte Auftragssumme jedoch um 130 %. Daher hob die Auftraggeberin das Vergabeverfahren auf und leitete ein neues Vergabeverfahren ein. Gegen die Aufhebungsentscheidung ging der Bieter mit einem Nachprüfungsantrag vor. Währenddessen leitete der Auftraggeber ein neues Vergabeverfahren ein, in dem derselbe Bieter ebenfalls einen Nachprüfungsantrag stellte. Der Auftraggeber beantragte nun eine Vorabgestattung des Zuschlags. Die Vergabekammer hob daraufhin das Zuschlagsverbot auf. Daraufhin beantragte der Bieter beim Vergabesenat die Widerherstellung des Zuschlagsverbotes (§ 169 Abs. 2 S. 6 GWB).
Der Vergabesenat des OLG Roststock entschied, dass das Zuschlagsverbot mangels eines besonderen Beschleunigungsinteresses der Auftraggeberin i.S.v. § 169 Abs. 2 GWB nicht entfällt. Bei der vorzunehmenden Abwägung sind bloße allgemeine Verweise auf die Bedeutung von Aufgaben auf regionaler und nationaler Ebene nicht weiter zu berücksichtigen, sofern sie nicht den Bereich der Daseinsvorsorge oder Sicherheits- und Verteidigungsinteressen betreffen. Vorliegend verwies die Auftraggeberin nur auf die Bedeutung des Bauvorhabens für Forschung und Tourismus auf regionaler und nationaler Ebene. Dies reichte dem Vergabesenat nicht aus, um den Zuschlag vorab zu gestatten.
Weiterhin betonte der Senat, dass sich die Gestattung eines vorzeitigen Zuschlags nicht allein auf finanzielle Einbußen stützen lässt, sofern sich das Großbauvorhaben noch im Anfangsstadium befindet. Vorliegend werden die Einbußen frühestens in über zwei Jahren verzeichnet. Dabei, ist nicht auszuschließen, dass die Verzögerungen bis dahin bereits anderweitig aufgefangen wurden.
Das Vergabesenat stellte schließlich fest, dass keine erhöhte Dringlichkeit einer vorzeitigen Zuschlagserteilung aufgrund der Dauer des bereits vorangegangenen Vergabeverfahrens bestand. Ein solcher Rückschluss von der Dauer früherer Beschaffungsvorhaben auf gegenwärtige Verfahren sei zu pauschal.