Eine öffentliche Auftraggeberin beabsichtigte die Vergabe von Dienstleistungen im offenen Verfahren. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Ein Bieter reichte sein Angebot zwar fristgerecht, aber nicht vollständig ein. Die Auftraggeberin forderte ihn gem. § 56 Abs. 2 S. 1 VgV dazu auf, u.a. eine fehlende Versicherungsbestätigung nachzureichen. Der Bieter kam dem nach und sollte in der Folge den Zuschlag erhalten. Ein Mitbewerber rügte die Rechtswidrigkeit des beabsichtigten Zuschlags. Wegen eines inhaltlich unzureichenden Eignungsnachweises sei das Angebot nach § 57 Abs. 1 VgV auszuschließen.
Das OLG München entschied, dass das Angebot des Bieters nicht nach § 57 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 2 VgV auszuschließen war. In den Vergabeunterlagen ist deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen ist, ansonsten darf das Angebot nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden.
Bei der Prüfung von Angeboten ist stets zwischen der Nachforderung nach § 56 Abs. 2 VgV und der Aufklärung nach § 15 Abs. 5 VgV zu unterscheiden. Denn diese stehen grundsätzlich in einem „Entweder-Oder-Verhältnis“ zueinander. Für die Bestimmung der zutreffenden Norm ist auf das Ziel des Aufklärungsverlangens abzustellen. Will der Auftraggeber fehlende oder unvollständige Unterlagen einholen, so geht es um Nachforderung nach § 56 VgV. Soll hingegen der Inhalt eines bereits vollständig eingereichten Angebots aufgeklärt werden, so ist eine Aufklärung nach § 15 VgV durchzuführen.
Die beiden Vorschriften schließen sich ausnahmsweise nicht aus, wenn es um die Aufklärung eingereichter, aber fehlerhafter Unterlagen geht. Im Zweifel wird jedoch auf die Nachforderung nach § 56 VgV zurückgegriffen. Vorliegend wurden die bereits in der Auftragsbekanntmachung verlangten Unterlagen gefordert. Daher handelte es sich um die bloße Nachforderung nach § 56 Abs. 2 VgV.