GesetzgebungVergaberecht

Auswirkungen von Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen auf öffentliche Bauaufträge

Seit einiger Zeit häufen sich die Berichte über drastisch steigende Preise und Lieferengpässe für verschiedene Baustoffe (z.B. Holz, Kunststoff und Stahl). Das Bundesbauministerium (BMI) reagiert mit einem Erlass (BMI Erlass v. 21.05.2021, BW 17 – 70437/9#3) und verweist auf die „Stoffpreisgleitklausel“ im Vergabehandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes, Formblatt 225. Die Regelung wurde bisher insbesondere für schwankende Stahlpreise verwendet, jedoch kann sie auch für andere Stoffe genutzt werden, soweit im Güterverzeichnis des Statistischen Bundesamtes Indizes dafür veröffentlicht werden.

Neue Vergabeverfahren

Vorab ist nach der Richtlinie zum Formblatt 225 vor Einleitung des Vergabeverfahrens zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln vorliegen. Die Klausel kann insbesondere dann vereinbart werden, wenn Sprünge von mehreren Indexpunkten pro Monat vorliegen. Lässt es die Terminsituation der Baumaßnahme zu, sollten auch Vertragsfristen der aktuellen Situation angepasst vereinbart werden.

Laufende Vergabeverfahren

Wurde ein Vergabeverfahren bereits eingeleitet, kann die Stoffpreisgleitklausel nachträglich einbezogen oder die Ausführungsfrist angepasst werden, sofern die (Er)Öffnung der Angebote noch nicht stattgefunden hat. Die Angebotsfrist ist ggf. zu verlängern. Bieteranfragen zur Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln sind zu prüfen und möglichst zu genehmigen. Die Ablehnung einer Bieteranfrage muss im Vergabevermerk begründet werden.

Hat die Angebots(er)öffnung bereits begonnen, muss geprüft werden, ob zur Vermeidung von Streitigkeiten eine Rückversetzung in den Stand vor Angebotsabgabe in Frage kommt, um die Stoffpreisgleitklausel noch einzubeziehen bzw. die Ausführungsfristen zu verlängern. Dies kann insbesondere dann angezeigt werden, wenn einzelne Baustoffe einen enormen Einfluss auf die Durchführung der Baumaßnahme haben.

Bestehende Verträge

Es soll sich möglichst an die bestehenden Verträge gehalten werden. Nur in Ausnahmefällen ist eine Anpassung im Rahmen von § 58 BHO und der dazu ergangenen VV-BHO möglich.

Der Auftragnehmer kann jedoch einen Rechtsanspruch auf Änderung oder Aufhebung des Vertrages aufgrund der „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 Abs. 1 BGB) haben. Dafür muss das Festhalten am Vertrag in seiner ursprünglichen Form für den Auftragnehmer untragbar und unzumutbar sein. Dies muss je nach Einzelfall entschieden werden.

Insbesondere infolge der COVID-19-Pandemie war es vielen Bauunternehmern selbst bei Zahlung höherer Einkaufspreise nicht möglich, die Baustoffe zu besorgen. In solchen Konstellationen kann ein Fall höherer Gewalt oder anderer nicht abwendbarer Ereignisse im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 1c VOB/B vorliegen. Dann müssen die Vertragsfristen entsprechend verlängert werden.