Ein öffentlicher Auftraggeber vergab Reinigungsdienstleistungen für eine Justizvollzugsanstalt in einem EU-weiten offenen Verfahren. Wertungskriterien waren der Preis und die Qualität zu je 50 %.
Die Antragstellerin stellte dem Auftraggeber eine Frage zum anzuwendenden „Tariflohn“. Dabei ging sie irrtümlich davon aus, dass sich auch der Lohn des Objektleiters nach dem Rahmentarifvertrag bemisst. Der Auftraggeber beantwortete zwar die Frage. Obwohl der Auftraggeber aber anderer Auffassung war, stellte er den Irrtum nicht klar, sondern bekräftigte die Antragstellerin durch Verwendung derselben Wortwahl in ihrer falschen Vorstellung. Der Auftraggeber teilte außerdem mit, dass der Tariflohn inklusive der gesetzlichen und notwendigen Lohnnebenkosten zu berechnen sei. Seine Antwort leitete der Auftraggeber nicht an die übrigen Bieter weiter.
Die Antragstellerin wurde durch die Antwort in ihrer fehlerhaften Vorstellung bestärkt und kalkulierte den Stundenverrechnungssatz des Objektleiters auf Grundlage dieses Irrtums. Nach der Wertung lag ihr Angebot an dritter Stelle. Nach erfolgloser Rüge stellte sie einen Nachprüfungsantrag. Zum einen beanstandete sie, dass sie nicht darauf hingewiesen wurde, dass der Lohn des Objektleiters keinem Tarif unterliegt. Da die Antwort nicht an die anderen Bieter weitergleitet wurde, rügte sie außerdem, dass nicht auszuschließen sei, dass die anderen Bieter bei dem kalkulierten Stundenverrechnungssatz die Lohnnebenkosten nicht berücksichtigten.
Das OLG Frankfurt bestätigte eine Benachteiligung der Antragstellerin. Der Auftraggeber hat die Antragstellerin durch seine Wortwahl in ihrem Kalkulationsirrtum bekräftigt, statt diesen klarzustellen. Auch bei einem verständigen Bieter sei so der Eindruck erweckt worden, dass der Tariflohn gemäß Rahmentarifvertrag für die Kalkulation der Kosten des Objektleiters herangezogen werden musste. Der Auftraggeber hätte stattdessen auch eine alternative Wortwahl wie „Lohn“ verwenden können, um den Irrtum nicht zu bekräftigen.
Durch den missverständlichen Hinweis wurde die Antragstellerin gegenüber den anderen Bietern unter Verstoß gegen § 97 Abs. 2 GWB benachteiligt. Dies auch, weil die Antwort nicht an alle Bieter weitergeleitet wurde.
Daher musste der Auftraggeber das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in den Stand vor Erstellung der Angebote zurückversetzen.