RechtsprechungVergaberecht

Akteneinsicht im Unterschwellenbereich (OLG Köln, Beschluss vom 29.01.2020, 11 U 14/19)

Das OLG Köln hat das Recht unterlegener Bieter auf Akteneinsicht in einem Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte gestärkt.

Rechtsschutzbedürfnis

Klagt ein Bieter auf Einsichtnahme in die Vergabeakte, ist sein Rechtsschutzbedürfnis auch dann gegeben, wenn er im Vorfeld nicht versucht hat, die Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter mit dem im Unterschwellenbereich zulässigen einstweiligen Verfügungsverfahren (Primärrechtsschutz) zu verhindern.

In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall beabsichtigte der Bieter, auf Grundlage der begehrten Auskünfte Schadensersatzansprüche gegen den öffentlichen Auftraggeber geltend zu machen. Da die Rechtsfolge dieser Klage eine andere ist, als die des Primärrechtsschutzes, stand dem Bieter kein einfacheres, billigeres und hinsichtlich des Rechtsschutzzieles gleich wirksames Verfahren zur Verfügung, das das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassen würde.

Auskunftsanspruch

Ein Auskunftsanspruch kann sich entweder aus den Regelungen zum Vergabeverfahren (hier: der VOB/A) ergeben oder – soweit dort keine abschließende Regelung getroffen wird – aus § 242 BGB. Letzterer Auskunftsanspruch greift aber nur, wenn das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs überhaupt möglich erscheint. In Vergabeverfahren kann ein solcher aus der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten entstehen (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 3 BGB).

Der Auskunftsanspruch ist aber im Unterschwellenbereich stark begrenzt. Die Regelungen des § 165 GWB über die Akteneinsicht im Vergabeverfahren finden im Unterschwellenbereich weder direkte noch entsprechende Anwendung. Gemäß § 14 Abs. 7 VOB/A 2012 (bzw. § 14a Abs. 7 VOB/A 2016) ist Bietern lediglich Einsicht in die Niederschrift des Eröffnungstermins (Submissionsprotokoll) zu gestatten. Den Bietern sind auf Antrag die Namen der Bieter sowie die verlesenen und nachgerechneten Endbeträge der Angebote sowie die Zahl ihrer Nebenangebote nach der rechnerischen Prüfung unverzüglich mitzuteilen. Hinsichtlich etwaiger Nebenangebote erfasst das Auskunftsrecht nach § 14 VOB/A nur deren Zahl, nicht deren Endbeträge.

Ein weitergehender Auskunftsanspruch aus § 242 BGB besteht nicht, denn die in der VOB/A genannten Auskunftsansprüche ziehen insoweit eine Grenze. Insbesondere besteht für den Bieter kein Recht, den Vergabevermerk mit abschließender Bewertung und Zuschlagsempfehlung oder das Zuschlagsschreiben einzusehen. Denn in § 19 Abs. 1 und 2 VOB/A ist lediglich geregelt, dass Bieter, die nicht berücksichtigt werden, unverzüglich zu informieren sind. Ferner haben sie auf Verlangen Anspruch auf Mitteilung der Gründe für ihre Nichtberücksichtigung sowie die Merkmale und Vorteile des Angebots des erfolgreichen Bieters sowie dessen Namen. Bei den Merkmalen und Vorzügen handelt es sich um diejenigen Zuschlagskriterien, die den Ausschlag in der Wertung gegeben haben.

Die Mitteilung weiterer Informationen über die Angebote anderer Bieter ist dem Auftraggeber regelmäßig untersagt. Denn die Angebote und ihre Anlagen sind gemäß § 14 Abs. 8 VOB/A geheim zu halten. Das bloße Interesse eines Bieters, im Hinblick auf einen eventuellen Schadensersatzprozess kein Einschätzungs- und Beweisrisiko tragen zu müssen, muss gegenüber den grundsätzlichen Interessen an der Geheimhaltung der Angebote anderer Bieter zurücktreten, so das OLG Köln.