Die Bedeutung einer korrekten Ermittlung des Auftragswerts wird häufig unterschätzt: Ohne sie kann nicht zuverlässig geklärt werden, ob der jeweilige Schwellenwert überschritten wird und welches Recht anzuwenden ist. Auch, wenn der öffentliche Auftraggeber Angebote als unauskömmlich oder überteuert ausschließen oder das Vergabeverfahren aus wirtschaftlichen Gründen aufheben will, kommt es auf eine vertretbare Schätzung des Auftragswertes an. Im Zweifel sollten öffentliche Auftraggeber vor einem Vergabeverfahren den Markt erkunden, um den Auftragswert zu bestimmen.
In einem Vergabeverfahren übernahm der öffentliche Auftraggeber als Auftragswert ungeprüft den Wert des alten Auftrages. Die zwei abgegebenen Angebote lagen etwa 90 % und 50 % über dem angegebenen Wert.
Wegen der Preisdifferenzen musste sich der öffentliche Auftraggeber im Anschluss intensiv mit den Kalkulationsgrundlagen der Bieter auseinandersetzen und seine Entscheidung vor der Vergabekammer verteidigen. Erfahrungswerte aus weit zurückliegenden Vergabeverfahren reichen dafür nicht aus, so die Vergabekammer:
„Dabei gilt der Erfahrungswert der vorhergehenden Auftragsvergabe des nun neu zu vergebenden Auftrags regelmäßig als vergleichsweise wenig aussagekräftig, weil die aufgrund der letzten Vergabe vor mehreren Jahren verhandelten Preise möglicherweise nicht mehr aktuell sind, und weil die letzte Vergabe neue Entwicklungen des Marktes zum Beispiel durch strengere Auflagen, ein geschrumpftes Konkurrentenfeld oder eine ungewöhnliche Marktsituation nicht abbilden kann.“
Mit einer – nach § 28 VgV ausdrücklich erlaubten – Markterkundung zur Bestimmung des Auftragswertes hätte sich der öffentliche Auftraggeber viel Ärger ersparen können.