RechtsprechungVergaberecht

Wann sind Seitenwechsel von Mitarbeitern erlaubt?

Es verstößt grundsätzlich nicht gegen den Geheimwettbewerb, wenn ein Bieter einen Mitarbeiter einstellt, der kurz zuvor bei dem öffentlichen Auftraggeber beschäftigt war, an dessen Vergabeverfahren der Bieter nun teilnimmt. Das gilt nach der Vergabekammer Münster selbst dann, wenn der Mitarbeiter aus der Vergabestelle des öffentlichen Auftraggebers kommt (29.11.2017, 1-33/17).

Dass der Mitarbeiter Informationen über Konkurrenzangebote an seinen neuen Arbeitgeber weitergab, war ausgeschlossen, weil er schon vor Beginn des konkreten Vergabeverfahrens „die Seiten“ wechselte. Dass der Mitarbeiter Kenntnisse aus früheren Vergabeverfahren hatte, hielt die Vergabekammer ebenfalls für unproblematisch. Denn die Vergütungsstrukturen im laufenden Vergabeverfahren waren nicht mit denen früherer Vergabeverfahren vergleichbar, Rückschlüsse auf die Kalkulation der Mitbewerber waren damit nicht möglich. Allein die Mitnahme von beim öffentlichen Auftraggeber gewonnenem abstraktem Wissen in die Privatwirtschaft sei noch kein Vergaberechtsverstoß.

Die Vergabekammer legt damit einen sehr großzügigen Maßstab bei Mitarbeiterwechseln an: Wechsel unter den Beteiligten eines Vergabeverfahrens sind vergaberechtlich unproblematisch, solange dem Wechselnden keine konkreten Informationen über Angebote anderer Bieter vorliegen. Nach den Maßstäben der Vergabekammer Münster ist dies bei inhaltlich unterschiedlichen Vergabeverfahren bereits grundsätzlich ausgeschlossen.

Ob diese weite Auslegung der Praxis entspricht, darf bezweifelt werden. Unabhängig von Details zur Kalkulation in laufenden Vergabeverfahren dürfen Bietern auch sonstige Inhalte von Angeboten ihrer Mitbewerber nicht zur Kenntnis gelangen, und zwar auch dann nicht, wenn die Vergabeverfahren abgeschlossen sind. Gemäß §§ 5 Abs. 2 S. 2 VgV, 30 Abs. 3 VSVgV sind Angebote nämlich auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens vertraulich zu behandeln.

Zwar kennt das Vergaberecht keine festen Karenzzeiten für den Wechsel von der Verwaltung in die Privatwirtschaft. Ein „Geschmäckle“, wie der Schwabe sagt, bleibt bei solchen Personalien aber trotzdem zurück. Bleibt noch der Hinweis, dass die Weitergabe von wettbewerbsrelevantem Wissen aber arbeits- und kartellrechtlich relevant sein könnte, was jedoch vor den Vergabekammern in der Regel nicht geprüft wird.