Ein öffentlicher Auftraggeber vergab in einem EU-weiten offenen Vergabeverfahren Fassadenbauarbeiten. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Von 25 zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen gaben aufgrund der Haupturlaubszeit nur zwei Bieter ein Angebot ab. Das günstigste Angebot lag um mehr als das Doppelte über dem geschätzten Auftragswert. Daher hob der Auftraggeber das Vergabeverfahren auf. Der erstplatzierte Bieter stellte nach erfolgloser Rüge einen Nachprüfungsantrag. Zwar entschied die Vergabekammer, dass die Aufhebung des Verfahrens nicht von § 17 EU Abs. 1 VOB/A gedeckt sei. Allerdings haben Bieter die Aufhebung grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Dies sei auch hier der Fall, so die Vergabekammer. Denn der Auftraggeber habe versucht, eine Wettbewerbsverfälschung mit Blick auf die während der Haupturlaubszeit geringen Zahl abgegebener Angebote zu korrigieren. Diese wirtschaftlich nachvollziehbare Absicht stelle einen sachlichen Grund zur Aufhebung dar, so die Vergabekammer, und zwar auch dann, wenn keiner der gesetzlich normierten Aufhebungsgründe greife. Der Auftraggeber durfte daher ein neues Vergabeverfahren über dieselben Leistungen durchführen. Eine Bieterin, die bei dem ersten Verfahren noch kein Angebot eingereicht hatte, sollte nunmehr den Zuschlag erhalten. Daraufhin machte der Bieter, der in dem ersten Verfahren das wirtschaftlichste Angebot abgab, einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns geltend.
Das Landgericht Köln entschied, dass der Bieter keinen Anspruch auf entgangenen Gewinn hat. Denn Bieter müssen die Aufhebung eines Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von vornherein rechtmäßig ist. Vielmehr steht es der Vergabestelle grundsätzlich frei, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Bieter haben zwar einen Anspruch darauf, dass Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhalten, aber nicht darauf, dass der Auftrag auch erteilt wird. Es existieren nämlich viele Gründe, die Auftraggeber an der Zuschlagserteilung hindern. Insbesondere kann ein Auftraggeber ein Verfahren aufheben, wenn für den Zuschlag auf ein abgegebenes Angebot die Finanzmittel nicht ausreichen.
Unterbleibt die Vergabe des Auftrags, kommt regelmäßig der Ersatz von Aufwendungen für die Angebotserstellung und Teilnahme am Vergabeverfahren in Betracht. Weitergehende Ansprüche, wie ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des entgangenen Gewinns, kommen dagegen nur unter besonderen Voraussetzungen z.B. im Fall einer sog. „Scheinaufhebung“ in Betracht. Eine Scheinaufhebung lag hier aber gerade nicht vor. Vielmehr beabsichtigte der Auftraggeber, den Auftrag in einem neuen offenen und fairen wettbewerblichen Verfahren zu vergeben. Insbesondere war der Zweck des erneuten Vergabeverfahrens aufgrund der geringen Anzahl der abgegebenen Angebote während der Haupturlaubszeit wirtschaftlich nachvollziehbar, so das Landgericht Köln. Auf die Frage, ob einer der gesetzlichen Ausschlussgründe vorliegt, komme es daher nicht an. Somit hatte der Bieter allenfalls nur einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Angebotserstellung und Verfahrensteilnahme.