Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb europaweit im offenen Verfahren einen Bauauftrag aus. Zwei Bieter sollten den Zuschlag erhalten. Ein ausgeschlossener Bieter machte im Rahmen eines Nachprüfungsantrags jedoch geltend, dass eines der Angebote nicht den gestellten Anforderungen entsprach und auszuschließen sei. Daraufhin reichte der Auftraggeber einen Antrag auf Vorabgestattung der Zuschlagserteilung ein. Andernfalls entstünden durch die Verzögerungen erhebliche Mehrkosten, insbesondere drohe ein Verlust von Fördergeldern.
Die VK Berlin lehnte den Antrag auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung ab.
Die Vergabekammer kann grundsätzlich nach § 169 Abs. 2 S. 1 GWB Anträge auf vorzeitige Zuschlagserteilung gestatten. Hierfür müssen die geschädigten Interessen sowie das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung überwiegen. Denn durch einen vorzeitigen Zuschlag wird dem Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens der Primärschutz irreversibel genommen. Lediglich der Sekundärschutz (z.B. Schadensersatzanspruch) bleibt bestehen. Daher erfolgt die Gestattung des Zuschlags nur in besonderen Ausnahmefällen. Ein entsprechend dringendes Interesse bestand vorliegend nicht.
Die Vergabekammer wies darauf hin, dass Auftraggeber stets mit Verzögerungen durch Nachprüfungsverfahren rechnen und diese einkalkulieren müssen. Auch der Verlust von Fördergeldern rechtfertigt keine Zuschlagserteilung vor Beendigung des Nachprüfungsverfahrens. Ansonsten wären entsprechende Anträge stets zu gestatten, sofern fristgebundene Fördermittel gewährt wurden.