In ihrem Koalitionsvertrag bekennt sich die Bundesregierung zum Erhalt nationaler Schlüsseltechnologien. Nun hat sie den Entwurf einer Novelle von GWB und VSVgV vorgelegt. Das Ziel: eine deutlich einfachere Vergabe von Aufträgen, die verteidigungs- und sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen.
Am 08.07.2015 hat die Bundesregierung ihr Strategiepapier zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland vorgelegt. Darin enthalten: eine Liste der verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien. Diese Liste soll nun erstmals fortgeschrieben werden. In ihrem Koalitionsvertrag vom 07.02.2018 haben sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, künftig unter anderem den Überwasserschiffbau zur Schlüsseltechnologie zu erklären. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass hiervon auch der Bau von Marineschiffen umfasst sein soll – eindeutig war dies nämlich bislang nicht (http://vsvgv.de/2018/05/der-marineschiffbau-wird-zur-schluesseltechnologie-stimmt-das/).
Auf. S. 159 des Koalitionsvertrags heißt es zum künftigen Umgang mit Schlüsseltechnologien unter anderem:
„Zum Erhalt nationaler Souveränität bei Schlüsseltechnologien werden wir bestehende vergaberechtliche Spielräume konsequenter nutzen, Auslegungshilfen zur Verfügung stellen und prüfen, inwieweit der Ausnahmetatbestand des Art. 346 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Beschaffungspraxis stärker herangezogen werden kann. Wir werden darüber hinaus notwendige gesetzliche Anpassungen vornehmen.“
Nun ist es soweit: Das federführende Wirtschaftsministerium hat am 29.08.2019 einen Referentenentwurf zur Anpassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Verordnung über die Vergabe von VS-Aufträgen (VSVgV) vorgelegt. Die Änderungen sollen eine deutlich vereinfachte Auftragsvergabe ermöglichen, wenn verteidigungs- oder sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betroffen sind.
§ 107 Abs. 2 GWB bestimmt bisher nur, dass die vergaberechtlichen Bestimmungen in zwei Fällen nicht gelten: Das betrifft zum einen Beschaffungen, bei denen ein Vergabeverfahren den öffentlichen Auftraggeber zur ungewollten Preisgabe sicherheitsrelevanter Informationen zwingen würde. Zum anderen sind Aufträge über Waffen, Munition und Kriegsmaterial ausgenommen, sofern dies zur Wahrung der wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ist.
Kein Vergabeverfahren für Schlüsseltechnologien
Diese Berechtigungen zur Auftragsvergabe ohne Vergabeverfahren sollen durch die Novelle um einige Klarstellungen ergänzt werden:
Danach können wesentliche Sicherheitsinteressen in den beiden vorgenannten Fällen insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Die Preisgabe wesentlicher Sicherheitsinteressen bei Durchführung eines Vergabeverfahrens kann außerdem auch sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien oder Verschlüsselungstechnik betreffen, soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
Schnelles Verfahren bei dringlichem Grund
Eine weitere Änderung betrifft die zulässige Verfahrensart: Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 b) aa) VSVgV dürfen öffentliche Aufträge in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden, wenn wegen dringlicher Gründe im Zusammenhang mit einer Krise selbst die Fristen eines beschleunigten Verfahrens nicht einzuhalten sind. Die Neuregelung nennt Regelfälle, in denen dieses abgekürzte Verfahren möglich sein soll, und zwar,
„wenn
-
- mandatierte Auslandseinsätze oder einsatzgleiche Verpflichtungen der Bundeswehr,
- friedenssichernde Maßnahmen,
- die Abwehr terroristischer Angriffe oder
- eingetretene oder unmittelbar drohende Großschadenslagen
kurzfristig neue Beschaffungen erfordern oder bestehende Beschaffungsbedarfe steigern“
Entscheidung im Einzelfall
Mit den Neuerungen sollen insbesondere zeitkritische Beschaffungsvorhaben beschleunigt werden. Außerdem will die Bundesregierung die Möglichkeiten einer vereinfachten Vergabe von Aufträgen ermöglichen, die Schlüsseltechnologien betreffen.
Norbert Brackmann, Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, stellt aber auch klar: Die Neuregelungen sollen keinen Automatismus enthalten. Vielmehr müssen öffentliche Auftraggeber – im Einklang mit den strengen Vorgaben des EuGH – für jeden Einzelfall gesondert prüfen, ob die Voraussetzungen einer beschleunigten bzw. vereinfachten Auftragsvergabe vorliegen.