Der Rechtsschutz im Unterschwellenbereich ist einer der umstrittensten Bereiche des Vergaberechts. Rechtsschutz vor den Vergabekammern und -senaten gibt es erst ab Überschreiten der Schwellenwerte, darunter sind sie nicht zuständig. Diese Zweiteilung des Rechtsschutzes im Vergaberecht wurde vom Bundesverfassungsgericht 2006 (13.06.2006, 1 BvR 1160/03) ausdrücklich gebilligt.
Daraufhin baute die Rechtsprechung den Rechtsschutz im Unterschwellenbereich kontinuierlich aus. Spätestens seit der Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 2010 (13.01.2010, 27 U 1/09) gilt als geklärt: Bieter können den Zuschlag in einer Unterschwellenvergabe per einstweiliger Verfügung vor den Landgerichten verhindern. Ist der Zuschlag erst erteilt, bleibt nur die Möglichkeit, den öffentlichen Auftraggeber auf Zahlung von Schadensersatz zu verklagen. Außer, der zwischen öffentlichem Auftraggeber und erfolgreichem Bieter geschlossene Vertrag ist nichtig, was nur sehr selten der Fall ist.
Da im Unterschwellenbereich bislang keine Pflicht öffentlicher Auftraggeber zur Vorabinformation besteht, hängt der Erfolg eines Antrags auf einstweilige Verfügung häufig vom Zufall ab: Denn Bieter können mangels Unterrichtung von außen nicht erkennen, ob der Zuschlag bereits erteilt wurde und eine einstweilige Verfügung damit nutzlos wäre, da sie zu spät käme.
Das könnte sich nun ändern. Das OLG Düsseldorf (13.12.2017, I-27 U 25/17) äußerte sich jetzt ausdrücklich zu der Thematik und merkte an:
„Es sprechen gewichtige Gründe dafür, auch im Unterschwellenbereich die Einhaltung einer Informations- und Wartepflicht durch den öffentlichen Auftraggeber zu verlangen.“
Begründet wird dies unter anderem mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG und der Rechtsprechung von BVerwG und EuGH. Trotz Verstoßes gegen die Informations- und Wartepflicht geschlossene Verträge seien
„gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein ungeschriebenes Gesetz als nichtig“
einzustufen, so der Vergabesenat weiter.
In der Entscheidung des OLG Düsseldorf kam es zwar nicht entscheidend auf die Informations- und Wartepflichten an, da der Antrag des unterlegenen Bieters bereits unzulässig war. Das Gericht gibt mit seinen Ausführungen aber einen Hinweis, wohin der Senat künftig tendiert: Informations- und Wartepflichten öffentlicher Auftraggeber sollen im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes auch im Unterschwellenbereich gelten.
Konsequent wäre dies allemal. Denn das LG Bielefeld (27.02.2014, 1 O 23/14) entschied bereits 2014, dass auch bei Unterschwellenvergaben grundsätzlich eine vorherige Rüge des Verstoßes durch den Bieter nötig ist. Anderenfalls sei ein späterer Eilantrag gegen die Vergabeentscheidung unzulässig. Begründet wird dies mit Rücksichtnamepflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis zwischen öffentlichem Auftraggeber und Bietern eines Vergabeverfahrens. Dann aber müsste der öffentliche Auftraggeber auch zu einer Vorabinformation mit Stillhaltefrist verpflichtet sein.
Öffentliche Auftraggeber, insbesondere im Zuständigkeitsbereich des OLG Düsseldorf, können Unsicherheiten bei Vergabeentscheidungen durch eine Vorabinformation der unterlegenen Bieter und angemessene Wartezeit bis zur Zuschlagserteilung vermeiden.
Die Frage hat hohe Praxisrelevanz: Bis zu 90 % der öffentlichen Aufträge erreichen die jeweiligen Schwellenwerte nicht.