RechtsprechungVergaberecht

Die Klausel „Auftraggeber fordert keine fehlenden Nachweise nach“ ist unzulässig (VK Bund, 05.03.2015, VK 2-13/15)

In Vergabeverfahren über Bauleistungen müssen Auftraggeber nach der VOB/A Erklärungen und Nachweise, die einem Angebot fehlen, unter Setzung einer angemessenen Frist vom betroffenen Bieter nachfordern. In Reinigungsausschreibungen ist das anders. Nach der hier anwendbaren VOL/A „können“ Auftraggeber fehlende Unterlagen nachfordern (vgl. § 16 Abs. 2 S. 1 VOL/A, § 19 Abs. 2 S. 1 EG VOL/A) . Vielfach legen Auftraggeber bereits in der Auftragsbekanntmachung fest, dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Dies hat zur Folge, dass Angebote, denen einzelne Erklärungen oder Nachweise fehlend, ohne weitere Prüfung ausgeschlossen werden. Die 2. Vergabekammer des Bundes stellt nun klar: Ein genereller Ausschluss der Nachforderung im Voraus ist unzulässig (5.3.2015, VK 2-13/15).

Immer Einzelfallprüfung

Die Begründung: Die VOL/A räumt Auftraggebern ein Ermessen („können“) ein, ob sie nachfordern. Dieses Ermessen kann aber erst ausgeübt werden, wenn der Auftraggeber den vollständigen Sachverhalt kennt. Dazu gehört, welcher Bieter und wie viele Nachweise betroffen sind. Erst auf dieser Grundlage kann eine Ermessensentscheidung getroffen werden. Der pauschale Ausschluss, fehlende Unterlagen nachzufordern (sog. „Ermessensausfall“) ist nicht erlaubt – ein Angebotsausschluss wäre vergaberechtswidrig.

Welche Folgen hat ein Verstoß?

Verstößt ein Auftraggeber gegen die Vorgabe, ist der Angebotsausschluss unwirksam. Der betroffene Bieter könnte ihn rügen und bei Zurückweisung der Rüge einen Nachprüfungsantrag stellen. Zwar dürfen Auftraggeber nach der Rechtsprechung im laufenden Prozess Ermessensentscheidungen durch Nachschieben von Gründen noch ergänzen. Allerdings gilt dies nach allgemeiner Verwaltungslehre nicht bei einem vollständigen Ermessensausfall (§ 114 S. 2 VwGO)!

Klüger wäre es deshalb, schon auf eine entsprechende Rüge zu reagieren und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob von der Nachforderungsmöglichkeit nach § 19 Abs. 2 EG VOL/A Gebrauch gemacht wird.