Behält sich ein Auftraggeber vor, während der Vertragslaufzeit wesentliche Vertragsänderungen oder -erweiterungen zu beauftragen, muss deren Reichweite bereits aus der EU-Bekanntmachung hervorgehen. Dies hat der Vergabesenat des OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 12.02.2014 (VII-Verg 32/13) unter Bezugnahme auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden.
Wann ist eine Änderung „wesentlich“?
Seit dem Urteil des EuGH vom 19.06.2008 (Rs. C-454/06 – „Pressetext“) ist geklärt, dass wesentliche Vertragsänderungen eine Pflicht zur Ausschreibung begründen, auch wenn der zu ändernde Vertrag selbst schon ordnungsgemäß ausgeschrieben wurde.
Unklar bleibt aber bis heute, wann genau eine Vertragsänderung „wesentlich“ ist. Die neue Vergaberichtlinie 2014/24/EU vom 26.02.2014 enthält in Art. 72 Abs. 2 lit. ii) einen interessanten Hinweis: Macht ein Nachtrag weniger als 10 % (bei Bauleistungen 15 %) des Gesamtauftragswerts aus und bleibt der Nachtrag unterhalb des Schwellenwerts, ist die Änderung künftig nicht als wesentlich anzusehen. Zwar ist die neue Richtlinie erst 2016 anwendbar. Dennoch bietet sie Auftraggebern schon heute eine Orientierungshilfe.
Allgemeine Anpassungsklauseln
Vielfach versuchen Auftraggeber, die Rechtsrisiken durch entsprechende Vertragsklauseln auszuräumen. Die hierzu ergangenen Entscheidungen der Vergabesenate fallen unterschiedlich aus: Das OLG Brandenburg (15.07.2010, Verg W 4/09) lässt es ausreichen, entsprechende Klauseln in den Ursprungsvertrag aufzunehmen. Das OLG Celle (29.10.2009, 13 Verg 8/09) hält allgemein gehaltene Änderungsvorbehalte in Verträgen dagegen für unbeachtlich. Maßgeblich soll nur sein, ob die Änderung wesentlich ist oder nicht.
Aufnahme von Vertragsklauseln ungenügend
Das OLG Düsseldorf hat nun entschieden, dass es ausdrücklich nicht ausreicht, wenn sich die Optionen auf Änderungen erst aus dem Vertrag ergeben, der den Bietern mit den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt wird. Denn im Sinne einer größtmöglichen Transparenz sollen potenziell interessierte Unternehmen bereits nach dem Lesen der Bekanntmachung beurteilen können, welchen Umfang der ausgeschriebene Vertrag hat. Der EuGH hat dies schon in seinem Urteil vom 22.04.2010 (Rs. C-423/07) angedeutet.
Wie sollen Auftraggeber vorgehen?
Bleibt die Frage: Was sollen öffentliche Auftraggeber in die EU-Bekanntmachung aufnehmen?
Fest steht: Ganz allgemein gehaltene Anpassungsklauseln sind mit Vorsicht zu genießen. Der Auftraggeber kann sich nicht allein dadurch absichern, dass er eine universelle Formulierung in den Vertrag aufnimmt, auf die er sich bei späteren Nachträgen beruft. Kann ein Auftragegber die möglichen Nachträge und Optionen aber einigermaßen konkret benennen, sollte er einen entsprechenden Passus in Ziff. II.2.1) („Gesamtmenge bzw. -umfang“) oder in Ziff. II.2.2 („Angaben zu Optionen“) des amtlichen Bekanntmachungsformulars für europaweite Ausschreibungen aufnehmen.
Besteht ein Auftrag aus mehreren Losen, sollte der Auftraggeber Optionen und Nachtragsklauseln zudem unter „Anhang B – Angaben zu den Losen“, dort unter Ziff. „3) – Menge oder Umfang“ oder unter „Ziff. 5) – „Zusätzliche Angaben zu den Losen“, nennen.