RechtsprechungVergaberecht

Eignung: Mindestumsatz darf Vielfaches des Auftragswerts betragen (OLG Jena, Beschluss vom 02.08.2017, 2 Verg 2/17)

Öffentliche Auftraggeber dürfen zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter im Einzelfall auch einen Mindestjahresumsatz fordern, der ein Vielfaches des jährlichen Auftragswerts beträgt.

Was war geschehen?

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb die unbefristete Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten aus. Als Eignungsanforderung verlangte er von den Bietern u.a. den Nachweis eines mit Sicherheitsdienstleistungen erwirtschafteten Mindestjahresumsatzes. Der Antragsteller entnahm der Presse, dass der Auftrag wohl nur eine Laufzeit von einigen Monaten haben würde. Zwischen dem geforderten Mindestumsatz und dem jährlichen bzw. dem gesamten Auftragswert würde in diesem Fall eine große Differenz bestehen.

Die Vergabekammer gab der Antragstellerin in erster Instanz Recht. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Antragsgegnerin – jedoch im Ergebnis ohne Erfolg.

Mindestumsatz verhältnismäßig

Der Vergabesenat des OLG Jena sieht das Verhältnismäßigkeitsprinzip durch die Antragsgegnerin nicht verletzt.

Zwar kann bei einer unerwartet kurzen Vertragslaufzeit der geforderte Mindestjahresumsatz in der Tat um ein Vielfaches höher sein als der jährliche Auftragswert. Gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 VgV darf der geforderte Mindestjahresumsatz das Zweifache des geschätzten Auftragswerts aber nur unter besonderen Bedingungen überschreiten. Allerdings war hier nicht auf den jährlichen, sondern auf einen vierjährigen Auftragswert abzustellen, denn bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen mit unbestimmter Laufzeit ist der Auftragswert gemäß § 3 Abs. 11 Nr. 2 VgV mit dem 48-fachen Monatswert anzusetzen. Der Mindestjahresumsatz hat das Zweifache des so geschätzten Auftragswerts nicht überschritten.

Die Differenz zwischen Mindestjahresumsatz und Auftragswert wird außerdem dadurch relativiert, dass der Jahresumsatz eines Unternehmens alle in einem Jahr erfolgten Umsätze erfasst, während sich der Auftragswert aus nur einem konkreten Auftrag ergibt. Ein leistungsfähiges Unternehmen wird gewöhnlich vom geforderten Mindestjahresumsatz nicht unverhältnismäßig belastet, da es über verschiedene Einnahmequellen verfügt.

Die Antragsgegnerin hatte mit ihrer sofortigen Beschwerde dennoch keinen Erfolg, weil sie bei der Festlegung des Mindestjahresumsatzes aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft gehandelt hat.