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BVerfG: Höchstzahl von Optionskommunen verfassungsgemäß – 07.10.2014, 2 BvR 1641/11

Karlsruhe hat gesprochen: Die Festlegung einer Höchstgrenze von Optionskommunen ist verfassungsgemäß. Kommunen und Kreise haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, die Langzeitarbeitslosen in ihrem Einzugsgebiet in eigener Verantwortung zu betreuen. Das Urteil stärkt die Position des Bundes. Dennoch haben kommunale Akteure Möglichkeiten, individuelle Wege zu gehen.

„Gemeinsame Einrichtungen“ – eine Kooperation mit Schwierigkeiten

In dem Verfahren wehrten sich 15 Landkreise und die Stadt Leverkusen gegen die gesetzlichen Bedingungen in § 6a Abs. 2 S. 3, 4  SGB II, unter denen kommunale Aufgabenträger die Langzeitarbeitslosen vor Ort in Eigenregie betreuen dürfen. Bisher sind sie auf die Zusammenarbeit mit den örtlichen Agenturen der Bundesagentur für Arbeit angewiesen. Seit das Bundesverfassungsgericht diese Arbeitsgemeinschaften als unzulässige Mischverwaltung untersagte (Urteil vom 20.12.2007, BVerfGE 119, 331), erfolgt die Kooperation als „Gemeinsame Einrichtung“ von Bund und kommunalen Trägern.

Die Abhängigkeit der Kommunen und Kreise von der Bundesagentur für Arbeit wird schon seit einiger Zeit als ungenügend kritisiert: Sie seien naturgemäß näher am Geschehen vor Ort und besser mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut. Demgegenüber könne die Bundesagentur für Arbeit mit ihrer Nürnberger Zentrale die spezifischen Gegebenheiten vor Ort weniger gut berücksichtigen. Hinzu kommt, dass kommunale Träger mit dem Aufsetzen vieler kleinteiliger Arbeitsmarktmaßnahmen bessere Erfahrungen gemacht haben als mit den zentralisierten und „baukastenartig“ entwickelten Maßnahmen der Bundesagentur. Eine individuelle Steuerung sei mit ihr nicht oder nur schwer möglich. Dies schlägt sich häufig in schlechteren Vermittlungsquoten nieder, so die Kritiker.

Weiterer Streitpunkt: Nach § 6a Abs. 3 hat der Bundesrechnungshof das Recht zur Finanzkontrolle der Optionskommunen. Nach § 6b Abs. 4 SGB II werden dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales außerdem Prüfbefugnisse gegenüber den Optionskommunen eingeräumt. Kritiker sahen hierin schon länger eine unzulässige Einmischung des Bundes.

Optionskommunen – ein Modell macht Schule

Eine Ausnahme bilden lediglich die Optionskommunen. Der Haken: Für die Auswahl als Optionskommune mussten sich die Aufgabenträger seinerzeit bewerben. Es wurden jedoch nur 69 ausgewählt. Nachdem sich die Vorteile des Modells zeigten, wurden im Zuge der Abschaffung der Arbeitsgemeinschaften später weitere 41 Kommunen ausgewählt. beworben hatten sich 77. Seitdem gilt die Höchstgrenze von 110 zugelassenen Optionskommunen, weitere kamen nicht hinzu.

Seit ihrer Zulassung arbeiten die Optionskommunen sehr erfolgreich. Sie nutzen die neu geschaffenen Spielräume in eigener Verantwortung und verzeichnen wachsende Vermittlungserfolge. Gleichwohl entscheid das Bundesverfassungsgericht nun: Ein Anspruch weiterer kommunaler Träger auf Zulassung als Optionskommune besteht nicht.

Die Nichtzulassung als Optioskommune verletzt die Kreise und Kommunen nicht in ihrer Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG, so die Karlsruher Richter. Wörtlich heißt es hierzu in dem Urteil:

„Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist keine Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft. Ihre unterlassene Übertragung berührt Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG von vornherein nicht. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind nur diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln, also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen. Fürsorge- und sozialversicherungsrechtliche Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende lassen sich darunter nicht fassen. Die den Optionskommunen zusätzlich zu übertragenden Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II betreffen die Eingliederung in Arbeit, die normalerweise Gegenstand der Arbeitslosenversicherung ist und von der Bundesagentur für Arbeit überregional und im Bundesgebiet einheitlich wahrgenommen wird. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass Ansprüche auf Sozialhilfe durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende abgelöst worden sind, Sozialhilfe jedoch von den kreisfreien Städten und Landkreisen nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften in eigener Verantwortung geleistet wir.“

Das Zulassungsverfahren muss zwar transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet werden. Die bisherigen Auswahlverfahren hielt das Bundesverfassungsgericht aber für rechtmäßig.

Nicht beanstandet hat Karlsruhe schließlich die Prüfbefugnisse des Bundes gegenüber den Optionskommunen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist im Rahmen der Finanzkontrolle somit befugt, die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der von den zugelassenen kommunalen Trägern verausgabten Bundesmittel anhand der vorgelegten Jahresabschlussrechnung zu prüfen und dabei auch die Gesetzmäßigkeit der Ausgaben zu kontrollieren. Es darf zu diesem Zweck Informationen vor Ort erheben und auch ohne konkreten Anlass bei den zugelassenen kommunalen Trägern Prüfungen durchführen.

Verbleibende Spielräume nutzen

Damit sind die Kreise und Kommunen also auf den Willen des Bundesgesetzgebers angewiesen, weitere Optionskommunen zuzulassen. Das heißt jedoch nicht, dass Jobcenter ohne den Status einer Optionskommune keine Spielräume mehr hätten. Bundesweit entscheidet sich eine wachsende Zahl von Geschäftsführungen zunehmend für die Möglichkeit, Arbeitsmarktdienstleistungen in Eigenregie zu beschaffen, statt die Leistungen von den Regionalen Einkaufszentren einzukaufen. Auch so können passgenaue Maßnahmen entwickelt und der Einfluss auf den Ausgang von Beschaffungsentscheidungen erhöht werden. Hinzu kommt, dass hohe Einsparungen zu erzielen sind, wenn Leistungen der laufenden Verwaltung wie Reinigungs- und Hausmeisterdienste, Postdienstleistungen oder Strom- und Gasversorgungsverträge eigenverantwortlich und nicht über das örtliche REZ eingekauft werden. Wer die vorhandenen Spielräume nutzt, kann also trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingenständige Wege gehen und die eigene Beschaffung individuell steuern.

Lesen Sie hierzu auch den Vergabeblog vom 19.10.2014 aus der Serie Arbeitsmsarktdienstleistungen.

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